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Nadeschda Tolokonnikowa (re.) und Marija Aljochina traten mit maskierten Bandkollegen am Donnerstag vor die Presse. Die Bilder des Kosaken, der sie peitschte, gingen um die Welt.

Foto: EPA/Charisus

"Wenn du Ausländer bist, hast du während Olympia Narrenfreiheit hier in Sotschi", erzählt ein Beamter des russischen Geheimdienstes (FSB) im Vertrauen. Sie hätten Anweisung, Ausländer mit Samthandschuhen anzufassen, um nur kein schlechtes Bild abzugeben.

Ein Norweger habe sich beispielsweise so maßlos betrunken, dass er randalierte und sich mehrfach übergeben musste, berichtet er. Die Polizei habe den Mann nicht nur laufen lassen, sondern ihn sogar ins Hotel chauffiert, damit er seinen Rausch ausschlafen könne. "Als Russe sollte man sich solche Späße nicht erlauben", fügt der Geheimdienstler hinzu. Gegenüber den eigenen Landsleuten werde hart durchgegriffen.

Genau diese Härte hat die Polizei gegenüber Pussy Riot in den letzten Tagen demonstriert. Zunächst wurde die Punkband um Nadeschda Tolokonnikowa und Marija Aljochina nahe der abchasischen Grenze festgenommen. Sie hätten sich dort bloß Sehenswürdigkeiten angeschaut, erklärte ihr Anwalt. Die Version wird allerdings selbst von ausländischen Journalisten wie Julia Joffe von New Republic bezweifelt. Sie hätten dort wohl Teile ihres neuen Clips gedreht, vermutet sie.

Doch das Bildmaterial, welches die Behörden der Gruppe "schenkten", war deutlich brisanter: Zwei Tage später verhaftete die Polizei Pussy Riot auf offener Straße wegen angeblichen Diebstahls - ein relativ unglaubwürdiger Vorwurf. Tolokonnikowa und Aljochina klagten anschließend über schwere Misshandlungen.

Noch einen Tag später wurden sie beim Drehen ihres Clips von Kosaken angegriffen. Die Bilder eines Peitsche schwingenden, pelzbemützten Schnurrbartträgers, der auf junge Frauen einschlägt, ist genau jene PR, die Putin eigentlich während Olympia vermeiden wollte, Pussy Riot hingegen erfolgreich provoziert haben.

Krasnodars Gouverneur Alexander Tkatschow, für die Aufstellung der Kosaken in seiner Region als Hilfspolizei mitverantwortlich, versucht sich in Schadensbegrenzung: "Die Rechtssicherheitsorgane müssen den Fall gründlich aufklären und die Schuldigen bestrafen", sagte er.

Akkordierte Störaktionen

Doch auf Youtube ist Pussy Riots neues Video Putin lehrt dich, die Heimat zu lieben bereits ein Renner. Klar ist auch, dass weder Polizeibeamte noch Kosaken auf eigene Faust handelten - ebenso wenig wie die Provokateure, die am Donnerstag eine improvisierte Pressekonferenz von Pussy Riot mit Hühnern und dem Slogan "We like sex with chicken" (eine Anspielung auf eine Aktion von Pussy Riot vor einigen Jahren) zu stören versuchten.

 Die Anweisung, das "Problem zu lösen", kam wohl von oben. Die Art und Weise der "Problemlösung" zeigt laut BeobachterInnen, dass die Toleranzschwelle nicht so hoch ist, wie demonstriert werden sollte. Damit haben Pussy Riot Putin den olympischen Prestigeerfolg fast so stark vermiest wie die russische Eishockey-Mannschaft, die den Finnen im Viertelfinale unterlag. (André Ballin aus Sotschi, DER STANDARD, 21.2.2014)