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Machiko Osawa: "In Japan herrscht immer noch die Ideologie des männlichen Ernährers vor".

Foto: ap/ITSUO INOUYE

Ihre Ausbildung ist exzellent, die Schul- und Hochschulabschlüsse besser als die ihrer männlichen Kommilitonen. Dennoch müssen sich viele Japanerinnen mit schlecht bezahlten Aushilfstätigkeiten begnügen. Das World Economic Forum stellte Japan 2013 in Sachen Gleichberechtigung ein vernichtendes Urteil aus: Platz 105 von 136 Ländern.

"In Japan herrscht immer noch die Ideologie des männlichen Ernährers vor", erklärt Machiko Osawa, Wirtschaftsprofessorin an der Japan Women's University, die Ursachen für die Diskriminierung. Die traditionelle Rollenverteilung in der Familie spiegle sich im gesamten Gesellschaftssystem wider. Aktuelle Umfragen der Regierung in Tokio zeigen, wie verbreitet das Bild der Hausfrau und Mutter selbst unter jungen Leuten ist: Demnach will jede dritte ledige Frau zwischen 15 und 39 Jahren nach der Hochzeit ihren Job an den Nagel hängen.

Neben Tradition trägt Diskriminierung im Beruf zu diesem Ergebnis bei: Trotz eines seit 1986 wirksamen Gleichstellungsgesetzes haben weibliche Beschäftigte nachweislich schlechtere Aufstiegschancen. "Sie werden befördert, aber viel langsamer als ihre männlichen Kollegen", sagt Osawa. Ein Grund dafür ist die Erwartung der Unternehmen, dass die Mitarbeiterinnen für ihre Familie den Beruf aufgeben werden.

50 Prozent weniger Verdienst

Dadurch entsteht natürlich ein Teufelskreis: Unterfordert und gelangweilt sind viele japanische Frauen gerne bereit, ihre Beschäftigung aufzugeben. Erst recht, weil ihre Ehemänner für die gleiche Tätigkeit im Schnitt fast 50 Prozent mehr verdienen.

Ein weiterer Grund für den Mangel an berufstätigen Frauen in verantwortlicher Position sind Arbeitszeiten, die zu den längsten in der entwickelten Welt gehören, und Ehemänner, die sich kaum an Haushalt und Kindererziehung beteiligen. Obwohl die gesetzliche Arbeitszeit maximal 44 Wochenstunden beträgt, sind Arbeitstage von mehr als zwölf Stunden nicht selten.

Viele Männer können ihre Frau nicht einmal in den Kreißsaal begleiten, nur zwei Prozent der Japaner nehmen Vaterschaftsurlaub. Während sich Männer in den USA, Deutschland oder Großbritannien durchschnittlich knapp drei Stunden täglich Haushalt und Kindererziehung widmen, ist in Japan eine Stunde üblich.

Mütter, die an ihrer beruflichen Tätigkeit festhalten wollen, brauchen ein dickes Fell. "Meine Kollegen drängen mich, den Bereich zu wechseln", sagt die Sekretärin eines Parlamentariers in Tokios Regierungsviertel. Dort, im Stadtteil Kasumigaseki, der berüchtigt ist für Arbeitsstunden bis nach Mitternacht, hat man wenig Verständnis für junge Eltern, die ihren Nachwuchs vom Kindergarten abholen müssen.

Kinderbetreuung

Auch deshalb gibt es in Tokio private Kindergärten mit Betreuungszeiten rund um die Uhr. Es gibt von der Gemeindeverwaltung vermittelte Babysitter, die den Nachwuchs bis in die Abendstunden betreuen. Und es gibt spezielle Kindergärten, wo Erzieherinnen, Krankenschwestern und Ärzte kranke Kinder gesundpflegen. Allerdings sind die Plätze dort knapp - wie in allen übrigen öffentlichen Kindergärten auch.

Ebenfalls Mangelware: Plätze in Pflegeeinrichtungen für Japans wachsende ältere Bevölkerung. Auch das führt dazu, dass Frauen ihren Beruf aufgeben müssen: In den vergangenen fünf Jahren haben fast eine halbe Million Beschäftigte ihren Beruf aufgegeben, um kranke oder alte Angehörige zu pflegen, 80 Prozent davon waren Frauen.

Japans anhaltende Stagnation und die mit 1,4 Kindern pro Frau niedrige Geburtenrate haben Premierminister Shinzo Abe nun zum Umdenken bewegt. Bis 2017 will er 400.000 neue Kindergartenplätze schaffen und bis 2020 den Anteil von Frauen in Führungspositionen auf 30 Prozent anheben - in allen gesellschaftlichen Bereichen. Um dieses Ziel zu erreichen, bleibt einiges zu tun. Derzeit sind lediglich zehn Prozent aller Manager in Unternehmen Frauen, in den Vorständen sogar nur ein Prozent. Im Parlament haben weibliche Abgeordnete weniger als 15 Prozent der Sitze. Und in Abes Kabinett sieht es nicht besser aus: Nur zwei von 18 Ministern sind weiblich. (Birga Teske aus Tokio, DER STANDARD, 8.3.2014)