So kunstvoll verpackt geraten Frühlingsgemüse, Lardo di Colonnata, Pancetta und Freilandhendl zum Festmahl.

Foto: Lukas Friesenbichler

Zwar wird so ein Kohlkopf oder Krauthappel gemeinhin zusammengeschnitten und als mehr oder minder liebevoll zugerichtete Beilage gereicht. Es geht aber auch ganz anders, wie fantasiebegabte Köche zwischen Grasse in der Provence und Erzurum in Ostanatolien (sicher doch, auch zwischen Arnoldstein und Zwettl!) seit geraumer Zeit vorzeigen. Wobei: Auf die Idee, einen Kohlkopf mit Sorgfalt zu entblättern und zu füllen, muss man erst einmal kommen. Während die hierorts heimischen Krautwickel ebenso wie balkanische Sarma oder anatolische Etli Lahana Sarmasi eher der Alltagsküche zuzuschreiben sind, haben es südfranzösische Drei-Sterne-Köche vom Schlage Alain Ducasses oder Michel Guérards längst verstanden, den volkstümlichen "Chou farci", provenzalisch "Sou-Fassum" genannt, in die Hochküche zu entführen und somit festtagstauglich zu machen.

Während Guérards Version mit Gänseleber, obzwar kalt wie eine Pastete aufgeschnitten, eher winterlich anmutet, geht es Ducasse mit allerhand jungem Gemüse in der Fülle vergleichsweise frühlingsfrischer an. Okay, Pancetta und fettschmelziger Lardo di Colonnata dürfen zum Ausgleich auch mit hinein, schließlich ist Ostern ein hoher Festtag, der mit einem luxuriösen Verdauungsschläfchen begangen werden will. Ganz abgesehen davon, dass gerade das Fest der Auferstehung dazu angetan ist, uns alle daran zu erinnern, was für ein feist geschnürtes Binkerl ein jeder von uns mit sich herumzutragen hat.

Für vier Personen ist ein stattlicher Kohlkopf vonnöten. Die Blätter werden vorsichtig abgelöst, bis man zum Herzen vordringt und alles in einem großen Topf kochenden Salzwassers blanchiert, dem eine ordentliche Prise Natron (hilft, die grüne Farbe zu konservieren) zugefügt wurde. In Eiswasser abschrecken, auch das hilft der Farberhaltung.

Das Gefüllte an und für sich

Die Blätter mit einem scharfen Messer von den groben Mittelrippen befreien und zwischen zwei Geschirrtüchern trocknen, das Herz auspressen, um überschüssige Feuchte loszuwerden. Für die Fülle im eigentlichen Sinn empfiehlt Ducasse Schweinsschopf, im Sinne erhöhter Frühlingsfreundlichkeit – und weil eh noch ein Berg Fettspeck der exquisiten Art dazukommt – scheint in diesem Fall ausgelöstes Haxlfleisch vom Freilandhendl – oder, noch besser, vom Perlhuhn – angezeigt. Ein halbes Kilo davon wird mittels eines richtig scharfen, schweren Messers fein gehackt (die Knochen aufbewahren!), mit 20 Deka in feine Stifte geschnittener Pancetta der möglichst luftgetrockneten Art und zehn Deka ebenso zugerichteten Lardos di Colonnata (genau, des marmorn gleißenden, extralang gereiften Rückenspecks italienischer Fettsäue!) vermengt. Eine fein gehackte weiße Zwiebel wird in Olivenöl glasig geschwitzt, 40 Deka extrajunger Erbsen ganz kurz blanchiert und sofort abgeschreckt. Zarter Mangold (noch ohne die breiten Mittelrippen), ein halbes Kilo davon, wird gewaschen, geschleudert und in Olivenöl gerade so lange gedünstet, bis die Blätter zusammenfallen. Auskühlen lassen und auch hier die Flüssigkeit gut auspressen. Mit dem Kohlherz fein hacken.

Hendlfleisch, beiderlei Speck mit der Zwiebel und dem gehackten Gemüse sorgfältig vermengen, mit vier Eiern (ist ja Ostern!), zehn Deka geriebenem Parmesan, Salz und Pfeffer aus der Mühle zu einer homogenen Masse vermischen.

Dampf machen

Jetzt geht es ans Füllen der Blätter. Im Gegensatz zu Kohlrouladen, die, wie der Name andeutet, um die Fülle gerollt und gefaltet werden, handelt es sich beim Chou farci tatsächlich um kunstvoll gefüllte Kohlblätter. Dafür vier quadratische Stück Frischhaltefolie mit einer Kantenlänge von 25 bis 30 Zentimetern ausschneiden und jeweils großzügig überlappend mit Kohlblättern auslegen – dabei am Rand stets einen guten Zentimeter Folie freilassen. Jeweils ein Viertel der Fülle in die Mitte setzen, die Folie mit den Kohlblättern drumherum schlagen und zu einer Kugel – oder einem Ei – formen, die jeweils vollkommen von Kohl umschlossen ist. Die Folienenden dabei zu einem kleinen Knödel festzwirbeln, um die Hülle zu fixieren.

In einem Kochtopf mit Dämpfeinsatz Wasser zum Kochen bringen, die gefüllten Kohlblätter samt Folie in den Dämpfeinsatz setzen und zugedeckt bei sanfter Hitze rund 40 Minuten garen lassen.

Währenddessen die Hendlknochen in große Stücke hacken, mit einer grob geschnittenen Karotte, ebensolcher Selleriestange und zwei geviertelten Schalotten in einer Bratenform unter dem Grill kräftig bräunen. Mit einer angedrückten Knoblauchzehe, einem Lorbeerblatt, Thymian und einigen Pfefferkörnern sowie einem Sternanis und einem daumengroßen Stück gehacktem Ingwer in einen Topf geben, mit einem guten Achtel Sherry oder Marsala ablöschen, mit Wasser bedecken und etwa 30 Minuten zu einem schnellen Fond einkochen lassen. Abseihen, etwas einreduzieren, mit Salz, Sherryessig, Cayennepfeffer abschmecken und mit ein paar Würfeln eiskalter Butter aufschlagen.

Wer will, kann die grünen Eier in ein stilgerechtes Nest aus Juliennegemüse setzen – der Franzose von Rang freilich verzichtet auf derlei welschen Tand und serviert die Dinger mit nichts als einer herzallerliebst geschlungenen Schleife aus Schnittlauch (siehe Bild), umkränzt von etwas Hendlsaft. Viel Freude beim Auspacken! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 18.4.2014)