Paardifferenzen: Valeria Bruni Tedeschi und Louis Garrel in "Ein Schloss in Italien".

Foto: thimfilm

Wien - Im Jahr 1964 landete eine quirlige kleine Italienerin namens Rita Pavone einen Hit mit dem Titel Viva la pappa col pomodoro. Die fröhlich-(klassen)kämpferische Hymne wurde im Rahmen einer Minifernsehserie produziert, für die die Filmemacherin Lina Wertmüller verantwortlich zeichnete, die Musik stammte von Nino Rota - und die Zitherbegleitung von keinem Geringeren als Anton Karas (Der dritte Mann).

Eine TV-Aufzeichnung von Pavones energetischer und frecher Performance hat Valeria Bruni Tedeschi den Abspanncredits ihrer jüngsten Regiearbeit Ein Schloss in Italien beigestellt. Man kann annehmen, dass dies weniger mit den genannten filmischen Bezügen zu tun hat und mehr damit, dass 1964 auch das Geburtsjahr der nachmaligen Regisseurin und Schauspielerin war. Die Nummer, die auch etwas von einem entfesselten Kinderlied hat und schon vorher im Film auftaucht, gehört wohl zum popkulturellen Bestand ihrer Generation.

Das wiederum passt zu einer Arbeit, in der Bruni Tedeschi ein weiteres Mal mit autobiografischem Material spielt, um etwas über (großbürgerliche) Frauen ihres Alters und ihrer Profession zu erzählen. Ihre Figur Louise ist eine Schauspielerin, die in Paris lebt und seit Jahren nicht mehr arbeitet. Ihre Familie stammt aus Italien. Dort hat man noch einen Landsitz - und einen Bruegel -, die Fabrik des verstorbenen Vaters, die diesen Wohlstand einst finanzierte, ist längst geschlossen.

Louises Mutter (Marisa Borini, die Mutter von Bruni Tedeschi) und ihre erwachsenen Kinder sind der Beschäftigung mit den Finanzen lange ausgewichen. Nun lässt sich die Konfrontation mit der Frage, ob und wie der Besitz zu halten ist, nicht länger aufschieben. Parallel verschlechtert sich der Gesundheitszustand von Louises Bruder Ludovic (Filippo Timi), der HIV-positiv ist. Louise selbst fühlt mit 43 Jahren einen drängenden Kinderwunsch, den sie sich mit ihrem neuen, um einiges jüngeren Freund Nathan (Louis Garrel) zu erfüllen hofft.

Ein Schloss in Italien verdichtet diese Geschichten in kleinen Episoden, flüchtigen Begegnungen und zu tragikomischem Slapstick. Auch wenn das als Ganzes nicht ganz so schlüssig wirkt wie im Vorgänger Actrices (Schauspielerinnen), so stellen Bruni Tedeschi und ihre Koautorinnen Noémie Lvovsky und Agnès de Sacy einmal mehr ihr feines Gespür fürs Erzählen von Stimmungslagen unter Beweis.

Unaussprechlich komisch

Dabei geht es nicht selten um Unaussprechliches. Wird dieses trotzdem ausgesprochen, produziert es Peinlich-Berührtsein für die Figuren, aber fürs Publikum Komik - etwa wenn Nathans Mutter seiner Freundin detailreich von seiner Geburt erzählt. Andere Szenen kreisen um Unausgesprochenes wie die wortlose Verbundenheit zwischen Louise und Ludovic, die für Momente in Kindheitsrituale gleiten.

Außerdem fallen einem im zeitgenössischen Autorenkino sonst wenig andere Werke ein, in denen ein später Kinderwunsch und damit einhergehende, wechselhafte Emotionen so hartnäckig und schonungslos erkundet werden. Allein der panische Wutanfall in der Fertilitätsklinik lohnt den Besuch. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 7.5.2014)