Die Choreografin und Tänzerin Farah Saleh im Tanzquartier Wien mit ihrem Solo "Parole, parole, parole".

Foto: Tanzquartier/Farah Saleh

Wien - Sie lebt in Ramallah nahe Jerusalem im palästinensischen Westjordanland: Das prägt die choreografische Praxis von Farah Saleh, derzeit Artist in Residence des Tanzquartier Wien, maßgeblich mit. Am Wochenende hat die junge Künstlerin dort Proben ihrer bisherigen Arbeit gezeigt - darunter auch ihr Solo Parole, parole, parole.

Saleh ist eine jener Kunstschaffenden, die ihre Arbeit in einem politischen Konfliktfeld als "eine Form des täglichen Protests" verstehen. Seit 2010 tanzt sie als Mitglied der Sareyyet Ramallah Dance Company, bei der sie unter anderem das Stück Sandwishet Labaneh miterarbeitet hat. Darin wird die Geschichte zweier Schwestern während des ersten Gaza-Konflikts von 2008 erzählt.

Blick auf den Wahnsinn

Im Vorjahr hat Farah Saleh das Gruppenstück Ordinary Madness choreografiert, das einen Blick auf den alltäglichen Wahnsinn des Lebens für die Bevölkerung in den Palästinensergebieten bietet. Es wäre keine schlechte Idee, auch diese Stücke einmal in Wien zu zeigen. Und: Man darf auch gespannt sein, ob das Tanzquartier diese Initiative auch wirklich ergreift. Denn es ist vor allem der nun mit Ende der aktuellen Saison scheidenden Dramaturgin des Hauses, Sanda Noeth, zu verdanken, dass dem Wiener Publikum während der vergangenen Jahre immer wieder Begegnungen mit Künstlern, Performern und Tanzschaffenden des Nahen Ostens ermöglicht wurden.

Ihre Nachfolgerin Gabrielle Cram, die ihre Arbeit mit Beginn der kommenden Saison aufnehmen wird, interessiert sich vor allem für Lateinamerika. Doch für politisch arbeitende Künstlerinnen wie Farah Saleh hat Cram ein Auge, wie sie als Performancekuratorin beim Kremser Donaufestival 2013 bewiesen hat. Dort waren unter anderen die mexikanische Künstlerin Teresa Margolles oder Tania Bruguera mit ihrer Gruppe Immigrant Movement International zu sehen.

Gesellschaft als Thema

Zur vielfältigen zeitgenössischen Choreografie wird Cram nun wohl engere Bande als bisher knüpfen müssen. Bisher hat sich die 36-Jährige in ihrer abwechslungsreichen und engagiert anmutenden Berufslaufbahn unter anderem auch als Produktionsleiterin für die Gruppen Bilderwerfer und Toxic Dreams betätigt.

Für Tanzquartier-Intendant Walter Heun steht die Besetzung der Dramaturgie mit Gabrielle Cram für eine stärkere Hinwendung des Hauses zu gesellschaftspolitischen Themen. Künstlern wie Farah Saleh kann das nur recht sein. Während ihrer Residency im Mai und Juni wird sie an ihrem neuen Straßenprojekt arbeiten. Wer also bald in der Stadt einer Frau mit einem Schild begegnet, auf dem "Free Advice" zu lesen ist, kann sich Ratschläge holen. Welche, bleibt offen. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 12.5.2014)