Ein offener Brief an:

AK Präsident Herbert Tumpel
AK Wien-Direktor Werner Muhm und AK Wien- Arbeitslosen-Experte Josef Wallner
AK Frauenabteilung

ÖGB-Präsident: Fritz Verzetnitsch,
Renate Csörgits - Frauen im ÖGB,
ÖGB – GPA, Hans Sallmutter,
Roswitha Bachner

SPÖ-Vorsitzender Dr. Alfred Gusenbauer,
SPÖ- Frauen, Maga. Barbara Prammer,
SPÖ-Presse - Bettina.Stadlbauer,
Grüner Sozialsprecher im Parlament, Karl Öllinger,
Grüne Frauen, Abg.z. NR Brigid Weinziger,
Grüner Club im Rathaus, Grüne Frauen, Monika Vana,
AUGE, Claudia Paiha

Minister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Martin Bartenstein,
Ministra für Gesundheit und Frauen, Maria Rauch-Kallat

Aus den Augen, aus dem Sinn

Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass das Arbeitslosenreferat der AK Wien sang- und klanglos ersatzlos gestrichen wurde! Als Erwerbslose, die gerade in eine bfi- betriebene Zwangsmaßnahme verwiesen wurde, wollte ich mich unter der AK-Wien Klappennummer 202 nach meinen Rechten erkundigen. Ein Tonband verwies mich an das AMS retour!

Keine Vertretung, keine Auskunft mehr. Muss ich jetzt warten, bis ich vom Arbeitslosen/Notstandshilfebezug gesperrt bin, damit ich dann als Bittstellerin von der AK unter Umständen irgendeine rechtliche Unterstützung beim Berufung schreiben bekomme?! Ich bin dadurch total rechtlos und mir wird schlecht bei dem Gedanken an die anderen 700 000 rechtlosen Erwerbslosen pro Jahr.

Falls in irgend einer Form die Aufklärungspflicht noch gilt, ersuche ich Sie, mir folgende Fragen zu beantworten:

  • Warum helfen Sie mit, demokratische Rechte gerade bei jenen abzuschaffen, die es am nötigsten hätten, vertreten zu werden. Was sind die Beweggründe der Streichung der einzigen Informations- und Vertretungsmöglichkeit für Erwerbslose? Meines Wissens nach sind auch erwerbslose ArbeiterInnen und Angestellte Mitglieder der AK.

  • Warum verweisen Sie zynischerweise Erwerbslose an die regionalen Geschäftsstellen und die Hotline des AMS zurück? Glauben Sie ernsthaft, dass eine Institution, die legitimiert ist, Erwerbslose - als potentiell Beschuldigte an der hohen Arbeitslosigkeit - mit individuellen Sperren der Bezüge zu bestrafen, eine Vertretung für Erwerbslose sein kann?

  • Der Zuweisung in immer prekärer und abqualifizierender werdende Jobs, Schikanen und sinnlosen ungewünschten Maßnahmen und Kontrollen sind Erwerbslose in zunehmenden Ausmaß durch das AMS vollkommen vereinzelt ausgeliefert. Dies produziert Sozialfälle, die bekanntlich nicht mehr in Ihrem Aufgabenbereich liegen. Setzen Sie irgendwelche Akzente, die Erwerbslose vor der drohenden Aussteuerung, und/oder dem "working- poor" schützen?

  • Das Regierungsprogramm sieht vor, die Notstandshilfe zu Gunsten einer "Sozialhilfe neu" abzuschaffen. Wie weit sind diese Pläne, die wieder einmal vor allem MigrantInnen, Frauen, und da vor allem Alleinerzieherinnen und ihre Kinder treffen, schon gediehen? Gibt es von Ihrer Seite irgendwelche Bemühungen, diese weitreichende existenzielle Bedrohung zu verhindern oder soll dies Ihrer Meinung nach, - dem beispielgebenden unspektakulären Ausschluss der Erwerbslosen aus der AK Wien folgend, einfach durchgezogen werden?

  • Das bfi der AK und des ÖGB führen außer qualifizierenden Schulungen vor allem zahlreiche Disziplinierungsmaßnahmen für das AMS durch. Vielerorts wird schon von "der Mafia am Arbeitslosenmarkt" gesprochen. Auch wenn kleinere Anbieter zu Dumpingpreisen agieren, müsste der größte Kuchen doch beim bfi sein. Auch ich musste mich schon 3 x solchen sinnlosen Zwangsmaßnahmen des bfi unterziehen. In welcher Höhe, für welche Maßnahmen subventioniert das AMS das bfi der AK und des ÖGB? Werden diese Gelder aus den Töpfen der „aktiven Arbeitsmarktpolitik“ bezahlt, die früher einmal der Qualifizierung und den gesellschaftlich notwendigen Projekten dienten?

  • Das AMS hat an das bfi und andere kleinere Anbieter die Kontrolltermine für speziell codierte "Langzeitarbeitslose" ausgelagert. Dies nennt sich "Outsourcing". Eine der mehr als fragwürdigen EDV- Codierungen heißt "KINT"- was so viel wie "KEINE INTEGRATION" heißt. Sehen Sie eine Möglichkeit, gefährliche Codierungen von Menschen durch das AMS zu unterbinden?

    Welche Rechtsgrundlage gibt es, die Agenden des Arbeitsamtes wie Beratung, Betreuung und Vermittlung an sich am Markt tummelnde Anbieter auszulagern? Und wieweit sind Erwerbslose verpflichtet, Kontrolltermine - die bei Nichteinhaltung mit der Sperre der Bezüge geahndet werden - bei privaten Anbietern wahrnehmen zu müssen? Aus welchen Mitteln wird das bfi-Projekt "BBRZ- Outsourcing" bezahlt, das seinen Sitz im 5. Stock des AMS Redergasse hat? Aus welcher Rechtsgrundlage heraus müssen sich Erwerbslose dort von PsychologInnen und anderen ehemals Erwerbslosen aus der Sozialbranche unter Androhung der Sperre behandeln lassen?

    Deren Arbeit besteht darin, tiefgreifende anamnestische Erhebungen der Persönlichkeit, den Verlauf der "Betreuung" und jedes Kontrollmeldevergehen online dem AMS-Computer zuzuliefern. Sie verdingen sich also mangels anderer Einkommensmöglichkeiten als Spitzel und Vernaderer! Die Zwangszugewiesenen müssen sich nicht nur zwangspsychologisieren lassen, sie müssen auch noch unterschreiben, mit der Übermittlung der Daten einverstanden zu sein!

    Ist dies halt so üblich, weil sich Erwerbslose schon lange nicht mehr trauen, Widerstand zu leisten? Oder gibt’s da eine bislang unbekannte Rechtsgrundlage?

  • Erwerbslose werden unter Androhung der Bezugssperren zu Unterschriftsleistungen gezwungen. So muss der gesetzlich implementierte, zwingende "Betreuungsplan" bei den AMS - Kontrollmeldungen ohne vorherige Information oder irgend ein Gespräch von den Betroffenen unterschrieben werden. Welche Konsequenzen hat eine Unterschriftsverweigerung? Darf das AMS z.B. aus diesem Grund verstärkte Schikanen und Aussteuerungsversuche starten? Müsste das AMS nicht den Sinn der geplanten Maßnahmen nachweisen oder zumindest die Wünsche und Vorstellungen der Menschen wahrnehmen und so gut wie möglich berücksichtigen, wie dies anderswo bei Beratungsgesprächen üblich ist?

  • Erwerbslose haben keinerlei Lobby und sind den krankmachenden Zwängen und Demütigungen bei Kontrollterminen hilflos ausgeliefert. Haben Sie irgendwelche Vorschläge, welche die Situation Erwerbsloser - und hier besonders der benachteilgten Frauen - verbessern könnte?

  • In Ihrer neuen AK Homepage stellen Sie sich auch als Datenschützer dar. Das AMS sammelt gigantische Mengen an personenbezogenen, äußerst sensiblen Daten, die lebenslang gespeichert werden. Wie erklären Sie Erwerbslosen, die ja auch KundInnen sind bzw. waren, Daten zu vermeiden, wenn sie dazu gezwungen werden, diese abzuliefern?

  • Warum haben Sie auf ihrer Homepage (die wie viel gekostet hat?) kein Formular für eine Datenanfrage, die 1x jährlich gratis beim AMS verlangt werden kann??? Warum gibt es keine Rechtsinformation, wie ungerechtfertigte Daten gelöscht werden können?

    Wie weit müssen wir Erwerbslose uns noch „freiwillig“ der Erfassung, Codierung, Selektion und - was dann? - ausliefern?!

    Ich ersuche um dringende Beantwortung meiner Fragen,

    Berta Wamm