Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstration von Prostituierten gegen Diskriminierung in Paris...
Foto: Reuters/XAVIER LHOSPICE
Innerhalb des feministischen Diskurses der Neuen Frauenbewegung seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wird Prostitution grundsätzlich als Frauenarbeit an Männern definiert. Frauen "vermieten zu festen Zeiten und unterschiedlichen Tarifen ihren Körper, ihren Kopf, ihr Herz, ihre Haut und/oder ihre Geschlechtsteile. Sie stellen sich zur Verfügung als seelische Mülleimer und Krisenmanagerin, als Versuchskaninchen für Handlungen und Wünsche, die Männer ihren 'eigenen' Frauen/Freundinnen nicht zu offenbaren wagen...", schreibt Pieke Biermann im Frauenhandlexikon. Dabei sei die Arbeit der Prostituierten hart, öde, nervenaufreibend, gesundheitsgefährdend und neben ihrer gesellschaftlichen Ächtung wären die Frauen psychisch, physisch und politisch permanenten Bedrohungen ausgesetzt.

Prostitution als ein Stück Hausarbeit

Biermann bezeichnet Prostitution als "ein Stück Hausarbeit", das "da ausgelagert aus Haus/Familie, wo frauen umsonst arbeiten - entlohnt wird, ähnlich anderen ausgelagerten Hausarbeiten wie Kindererziehung, Krankenpflege u.a. Im Unterschied zu diesen gilt Prostitution jedoch vor dem Gesetz und in der Öffentlichkeit ebenso wenig als Arbeit wie die übrige, unentlohnte Hausarbeit". Der Ideologisierung der Hausarbeit als der "Natur der Frau" gemäß, entspreche jene der Prostitution als "Laster und Unwesen von Dirnen". In diesem Sinne würden die Frauen behandelt: der einen werde "wahre Erfüllung eines Frauenlebens" in Ausicht gestellt, die andere werde als "Schande für ihr Geschlecht" oder als "gekauftes, hilfloses Opfer der brutalsten Frauenausbeutung durch Männer" diskriminiert, deklariert Biermann.

"Hauptschlachtfeld des Frauenkampfes"

Alice Schwarzer schreibt unter dem Titel "Prostitution und Menschenwürde" im "Neuen Emma-Buch" aus dem Jahr 1986, dass die Prostituierte eine Schlüsselfigur dessen sei, "was so abwiegelnd Frauenfrage genannt wird; und der Kampf gegen die Prostitution - der nur auf den ersten Blick paradoxerweise gleichzeitig ein Kampf für die Prostituierten ist", sei "Hauptschlachtfeld des Frauenkampfes". Denn die Frauen, so Schwarzer weiter "sind vom Patriarchat mit vielen Spaltungsmanövern auseinander getrieben und aufeinander gehetzt worden: die Schönen gegen die Hässlichen, die Alten gegen die Jungen, die Mütter gegen die Nicht-Mütter, die Berufstätigen gegen die Hausfrauen. Und die Prostituierten gegen die Nicht-Prostituierten".

Die Frau als Ware

Insoferne stellt Kate Millets Buch "Das verkaufte Geschlecht" eine radikale Absage an dieses Spaltungsmanöver dar. Galt zu Beginn der Frauenbewegung noch die theoretische Annahme, dass die Prostitution die Kehrseite der Monogamie sei, schreibt Millet, dann hat sich diese Auffassung verändert, als "Prostitution wie Monogamie Ausdruck der Doppelmoral und der Ideologie von der Frau als Ware" seien, denn "die eine kauft man für eine Nacht, die andere für ein Leben; die eine für ein paar Scheine, die andere für den Unterhalt und die soziale (Schein-)Sicherheit".

Kate Millet sieht in der Prostitution ein Exempel für die soziale Situation der Frau. Jedoch werde hier nicht nur ihre Abhängigkeit offenbar, sondern mehr noch durch den Akt der Prostitution der Wert der Frauen allgemein deklariert. Als Wert einer Sache. Denn die Prostitutierte verkaufe nicht nur Sex, sondern ihre Würde. Und der Kunde kaufe ebenso nicht Sex, sondern Macht. Macht über eine Frau.

Macht über Frauen

Dabei lässt Millet das gerne vorgebrachte Argument, Frauen würden es freiwillig tun, weil sie eben masochistisch veranlagt seien, nicht gelten. Sie sieht darin eine Zwecklüge, weil ja bekannt sei, dass "jede an einer Frau begangene Grausamkeit sich auf diese Weise rechtfertigen lässt ... Wenn uns ein so selbstzerstörerisches Verhalten aufgezwungen worden ist, dann, weil unsere Gesellschaft es darauf angelegt hat, etwas in ihren Frauen zu zerstören...".

Materielle Autonomie ist gut, aber zuwenig

Für Prostituierte, zitiert Alice Schwarzer, Ergebnisse ihrer Interviews, ist das Schlimmste, dass diese Frauen ihre Menschenwürde verkaufen. "Nicht so sehr im Bett, als mehr dadurch, dass man den Handel abschließt, dass man sich kaufen lässt". Und so gehe es bei der Unterdrückung von Menschen neben dem direkten materiellen Nutzen immer um Macht im weitesten Sinn. Denn, wenn auch die Prostituierten im Gegensatz zu den Hausfrauen, um an die These Biermanns anzuschließen, Geld verdienen, so könne der finanzielle Gewinn den Verlust an Frauenwürde nicht kaschieren. Nebenbei bemerkt kassieren die Männer, also Zuhälter, ja den Großteil des Geldes wieder ab; denn lediglich zehn Prozent der Prostituierten bewegen sich sozusagen "frei am Markt".

Worum es der feministischen Bewegung aber prinzipiell geht: sie kämpft nicht nur für Brot, sondern auch für Rosen. Symbole materieller und psychischer Autonomie. Prostituierte bekommen Brot, aber keine Rosen. (dabu)