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Foto: APA/Jäger
Wien – Wahrscheinlich war ihr Werk deswegen so lange nur wenigen bekannt, weil sie sich einem der Grundprinzipien der Moderne so strikt verweigerte. Anna-Lülja Praun hat niemals Möbel für die Massenproduktion entworfen.

Während andere davon träumten, die Welt mit gut gestalteten Produkten vom Fließband zu verbessern, begann sie erst dann zu arbeiten, wenn sich zwischen ihr und den Auftraggebern ein Verhältnis etablieren ließ, das es ermöglichte, für einen so intimen Bereich wie die Wohnung maßgeschneiderte Einrichtungen zu gestalten. Zu ihren Kunden zählten der Autohändler Wolfgang Denzel, der Komponist György Ligeti und der Dirigent Herbert von Karajan, dem sie 1959 eine Kaminbank entwarf, die die diffizile Aufgabe hatte, beim Betreten des Raums nicht den Blick auf das Feuer zu verstellen.

Die Möbel und Innenausbauten von Anna-Lülja Praun sind modern, keine Frage. Aber diese Modernität ruht auf dem Sockel handwerklichen Könnens und der hatte, als sie sich 1952 mit ihrem eigenen Atelier selbstständig machte, bereits tiefe Risse bekommen.

Ihr Leben trägt die Züge eines untergegangenen Kontinents. Geboren wurde sie 1906 in St. Petersburg, die Mutter war Ärztin, der Vater ein bulgarischer Jurist und Verleger. Im Elternhaus, das bald nach Sofia übersiedelte, kam sie zum ersten Mal in Berührung mit dem zeitgenössischen Wiener Möbeldesign. Das führte sie nach Graz, wo sie 1924 als einzige Frau ihres Jahrgangs das Architekturstudium begann. Studentinnen waren an der Technischen Hochschule erst seit 1919 zugelassen.

Grazer Avantgarde

Zwischen 1930 und 1936 arbeitete sie, noch während des Studiums, das schon damals die nötige Dauer in Anspruch nahm, im Büro des Architekten Herbert Eichholzers, daran anschließend bei Clemens Holzmeister. Der erst unlängst wiederentdeckte Eichholzer brachte die Ideen Le Corbusiers in die Steiermark, war zugleich Sozialist und wurde 1943 als Widerstandskämpfer hingerichtet. Auch seine Arbeits- und Lebenspartnerin wurde 1938 verhaftet, reiste aus und kehrte noch während des Kriegs zurück, um den Architekten Richard Praun zu heiraten.

Nach der Trennung von Praun begann sie Anfang der Fünfzigerjahre mit eigenen Entwürfen, darunter auch etliche für das Wiener Einrichtungshaus "Haus und Garten" von Josef Frank.

In Anna-Lülja Prauns Salon, den sie selbst als "offenes Wohnzimmer" bezeichnete, stellte sie wichtige Verbindungen her. Unter anderem protegierte sie die junge "Arbeitsgruppe 4" (Friedrich Kurrent, Johannes Spalt, Wilhelm Holzbauer, Otto Leitner). Um sie herum wurde der von Naziregime und Emigration verschüttete Funktionalismus aktualisiert, Anna-Lülja Praun aber beharrte auf Edelhölzern, Klavierlack und Steinintarsien und führte die große Tradition der "Wiener Interieurs" von Josef Frank und Oskar Strnad in die Gegenwart.

Verehrt hat sie auch Eileen Grey. 1967 widmete Anna-Lülja Praun der britischen Designerin eine Ausstellung in der Wiener "Angewandten", zu einem Zeitpunkt, als sich sonst kaum jemand an deren heute klassischen Möbel der Zwanzigerjahre erinnerte.

Ihre eigenen Arbeiten hielt sie aus der Öffentlichkeit heraus. Erst in den letzten Jahren gelang es, unter anderem im Grazer Kunstverein, Einblicke in ihr Werk zu gewinnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.10.2004)