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Laut Weitzmans Studie haben Frauen, die besser ausgebildet sind als ihr Ehemann, ein 28 Prozent höheres Risiko, von diesem bedroht zu werden als Frauen, die schlechter ausgebildet sind. 

Foto: Reuters

Indische Frauen, die besser ausgebildet sind als ihre Ehemänner und womöglich sogar mehr verdienen, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit Opfer häuslicher Gewalt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Abigail Weitzman von der New York University, über die das "Wall Street Journal" unlängst berichtete.

Es ist eine verbreitete Lehrmeinung, dass gute Ausbildung und finanzielle Unabhängigkeit Frauen vor körperlicher Misshandlung schützen könnten. Weitzman wollte herausfinden, was tatsächlich passiert, wenn Frauen durch ihren steigenden Status die herrschenden Geschlechterrollen herausfordern.

Indien hätte sich für ihre Studie besonders angeboten: Hier herrscht eine überdurchschnittlich hohe Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, sowohl was gesellschaftlichen Einfluss als auch materiellen Besitz betrifft.

Häusliche Gewalt ist Alltag

Als Grundlage verwendete Weitzman Daten der India's National Family Health Survey aus den Jahren 2005 und 2006. Frauen zwischen 15 und 49 wurden hier nicht nur nach ihrem Beschäftigungsverhältnis gefragt, sondern zum Beispiel auch: "Versucht ihr Ehemann, sie zu erwürgen oder absichtlich zu verbrennen?"

Wie das "Wall Street Journal" noch einmal dezidiert betont, ist häusliche Gewalt in Indien Alltag. 35 Prozent der Frauen etwa sagen, dass es schon zu Gewalt führe, wenn sie nicht ordentlich kochten. 

Laut Weitzmans Studie haben Frauen, die besser ausgebildet sind als ihr Ehemann, ein 28 Prozent höheres Risiko, von diesem bedroht zu werden als Frauen, die schlechter ausgebildet sind. Ernähren die Frauen mit ihrem Einkommen auch noch die ganze Familie, haben sie sogar ein 48 Prozent höheres Risiko als arbeitslose Frauen, deren Mann arbeitet. 

Gewalt als Versuch, Männlichkeit zu beweisen

Weitzman folgert daraus: "Als die besser gebildeten und auch aus finanziellen Gründen wertvollen Mitglieder der Familie bedrohen diese Frauen die Position der Männer." Gewalt sei für die Männer ein Versuch, ihre Macht in der Beziehung wieder zu erlangen und ihre Männlichkeit zu beweisen.

Wie es im "Wall Street Journal" heißt, ist Weitzmans Studie nicht die einzige in jüngster Zeit, die eine Verbindung zwischen häuslicher Gewalt und einem Erstarken der Frauen in Indien herstellt.

Die Ökonomen Siwan Anderson und Garance Genicot hätten demnach in einem Arbeitspapier, das im März vom National Bureau of Economic Research veröffentlicht wurde, festgehalten, dass steigende Eigentumsrechte für indische Frauen nicht nur die häusliche Gewalt ansteigen ließen, sondern auch die weibliche Suizid-Rate. 

Auch eine andere NYU-Studentin, Poulami Roychowdhury, kam zu ähnlichen Ergebnissen wie Weitzman. Sie schließt daraus: "Die größere Angreifbarkeit zeigt, dass Gewalt auftaucht, wenn traditionelle Formen sozialer Kontrolle nicht mehr greifen." 

Sozialer Wandel

Geschlechtsspezifische Gewalt hänge demnach nicht, wie oft behauptet, mit Tradition und kultureller Stagnation zusammen - im Gegenteil legten die Studienergebnisse die Möglichkeit nahe, dass Gewalt der Anzeiger für etwas ganz anderes sei: Sozialen Wandel und Widerstand. (hein, dieStandard.at, 6.4.2014)