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Demonstrantinnen halten am 25. November (Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen) in Madrid Plakate hoch: "Sei vorsichtig! Machismo tötet".

Foto: AP/Andres Kudacki

Es ist ein trauriger Rekord. Noch nie starben in Spanien derart viele Frauen in den ersten Monaten des Jahres durch die Hände ihrer (Ex-)Partner wie in diesem. Bereits 25 Todesopfer sind zu beklagen, im gesamten Vorjahr waren es 54. Erst am Sonntag tötete ein Mann aus Andalusien seine Frau, in Alicante überlebte eine 80-Jährige am selben Tag eine Messerattacke nur knapp.

Eine umfassende Gesetzesreform der Ministerien für Justiz, für Inneres sowie für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung soll dem dramatischen Anstieg der häuslichen Gewalt nun entgegenwirken. Die eigens eingerichteten Sondergerichtshöfe für Gewalt an Frauen werden laut El Mundo mit größeren Befugnissen ausgestattet und sind nicht mehr nur bei Mord und Körperverletzung aktiv.

An den Sondergerichtshöfen wird in Zukunft auch Männern, die sich über verordnete Bannmeilen hinwegsetzen, der Prozess gemacht.

Mit der Reform werden jetzt auch schwere Beleidigungen, psychische Gewalt und Eingriffe in die Privatsphäre, etwa das Verbreiten intimer Fotos im Internet, gerichtlich verfolgt. Zudem erhalten Betroffene Informationen über den aktuellen Aufenthaltsort der Täter, etwa, ob sie sich im Gefängnis oder mit Fußfessel in Freiheit befinden.

"Normale Strafgerichte agieren oft zu lax in diesem Bereich", argumentierte Justizminister Alberto Ruiz Gallardón (PP). Das belegen auch die Zahlen: Während normale Strafgerichte im Schnitt jeden zweiten Angeklagten freisprechen, ist es bei den Sondergerichten für Gewalt an Frauen nur jeder vierte.

Gesundheitsministerin Ana Mato (PP) will nicht nur Gesetze härter angewendet sehen, sondern auch Sozialarbeiter, Richter und Polizeikräfte stärker sensibilisieren. Sie forderte vom Innenministerium eine Aufstockung der Sonderpolizei für Geschlechtergewalt.

Erstmals soll auch im Fragebogen, der bei der Anzeige ausgefüllt werden muss, die Einkommenssituation abgefragt werden. Bislang waren die 25 Fragen nur auf Waffenbesitz, Alkohol- und Suchtmittelmissbrauch oder wiederholte Drohungen fokussiert.

Soziologen wie Laura Nuño, Genderwissenschaftsprofessorin an der Madrider Universität Juan Carlos I., hatten immer wieder kritisiert, dass die Statistiken über die sinkende Zahl der Anzeigen nicht die finanzielle Abhängigkeit der Opfer miteinbezogen hatten. Ihrer Ansicht nach wurden Anzeigen schlichtweg nicht gemacht, aus Angst, auf der Straße zu stehen.

15.499 Anzeigen im Februar

Anhand einer vierteiligen Skala - extrem, hoch, mittel oder niedrig - in Bezug auf die Gefahrensituation wird aus dem neuen Fragebogen der Grad der polizeilichen Überwachung eruiert. Alleine im Februar kam es zu 15.499 Anzeigen. Schutzmaßnahmen sollen nun periodisch alle drei Monate aktualisiert werden.

Experten warnen, dass die aktuellen Einsparungen im Bildungsbereich die Gewalt unter männlichen Jugendlichen steigen lassen: 151 Minderjährigen wurde im Vorjahr der Prozess wegen Gewalt gegen ihre Freundinnen gemacht, ein Anstieg von mehr als fünf Prozent. "Es bedarf dringender Bewusstseinsbildung", fordert Genderwissenschafterin Nuño. "Genauso wie bei Kampagnen für Sicherheit im Straßenverkehr, Tabak, Alkohol und Drogen."

"Die Regierung kürzte das Budget für Prävention um ein Drittel", beklagt auch Frauenrechtspionierin Ana María Pérez del Campo. "Dabei muss man hier und nicht einzig auf der Seite der Opfer ansetzen." Gerade Kinder, die in einem gewaltvollen Umfeld aufwachsen, laufen Gefahr, später selbst mit Gewalt zu reagieren. Gemäß dem jüngsten Eurobarometer sind es 840.000 Kinder in Spanien, die das betrifft. (Jan Marot aus Granada, DER STANDARD, 8.4.2014)