Die "Transplantation von Gesichtsbehaarung" nahm Ana Medieta 1972 vor.

Foto: the estate of ana mendieta collection, l.l.c.

"Body Tracks", 1974.

Foto: The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C.

Es ist eine Blutspur, die sich durch einige Räume der Ausstellung "Traces" zieht. Blut auf dem Asphalt, als Wand- und Schriftfarbe benutztes Tierblut oder Blut auf dem Körper der jungen Künstlerin. Der Topos der Spur steht in der Ausstellung nicht immer unmittelbar mit Gewalt in Verbindung, jedoch mit  Ana Mendietas Leben – und Sterben. Mit zwölf Jahren schickten Mendietas Eltern sie nach Kubas kommunistischer Revolution 1961 in die USA. Die Einsamkeit, die sie in einem Waisenhaus in Iowa kennenlernt, sowie die frühe Migration bleiben zentrale Themen in ihrer Arbeit, mit der sie schon ab den frühen 1970ern auf sich aufmerksam macht.

"Zu saubere" Konzeptkunst

Egal ob durch Performances, Filme, Fotos, Zeichnungen oder Skulpturen – ihre Arbeiten handeln durchgängig von denselben Themen: Auflösung, Verwandlung oder Zerstörung von geschlechtlicher, kulturelle oder ethnischer Identität. Und von der Frage: Was bleibt von alledem? Ihr doppelter Außenseiterinnenstatus in der vorwiegend männlichen und weißen US-amerikanischen Kunstwelt veranlasste sie zu konträren Positionen. Mit organischen Materialien wie Blut und anderen Körperflüssigkeiten, Haaren oder dem Körper als Ganzem wollte sich Mendieta bewusst zu der von ihr als "sehr sauber" empfundenen Konzeptkunst der 1970er-Jahre abgrenzen. So stellt sie mit ihrer Arbeit "Facial Hair Transplant" (1972), für die sie sich abgeschnittenes Barthaar eines Freundes ins Gesicht klebte, ebenso identitätspolitische Fragen wie mit der Fotoreihe "Facial Cosmetic Variations" (1972), für die Mendieta ihr Gesicht mit zerrissenen Strümpfen oder ausgestopften Wangen verzerrt.

Gewalt als lebendes Bild

Nur ein Jahr später entstehen ihre wohl verstörendsten Arbeiten: Unter dem Titel "Rape Scene" beschäftigt sie sich mit sexuell motivierten Gewaltverbrechen, die an der Universität Iowa passierten, an der Mendieta studiert. Dafür stellt sie selbst ein junges Mordopfer als lebendes Bild dar. Zwei Stunden lang liegt sie nackt und bewegungslos auf einem Tisch. Um in dieser Pose gesehen zu werden, lädt sie Studenten in ihre Wohnung ein, wo diese die exakt nachgestellte Mordszene durch einen Türspalt zu sehen bekommen. Die Künstlerin macht sich durch ihre Darstellung zum begafften, leblosen Objekt und auch zum handelnden Subjekt, das Menschen zum Hinschauen zwingt.

Nur mehr die Spur von Körper

Nach und nach nimmt Mendieta ihren Körper aus ihren künstlerischen Positionen heraus. Eine Chronologie, die auch die Retrospektive in Salzburg sorgfältig nachzeichnet. Im Rahmen ihrer "Earth Works" lässt sie ihren Körper teilweise verschwinden, er ist dann - wie in der Arbeit "Tree of Life" (1976) - entweder Teil eines Baumstamms oder es wachsen ob seiner Leblosigkeit Gräser und Blumen auf ihm.

In ihrer berühmtesten Werkgruppe mit dem Titel "Siluetas" bleibt schließlich nur die Spur eines Körpers, in der Erde, im Sand oder im Gras. Einmal ist die Spur liebevoll von Pflanzen umrahmt, ein anderes Mal müssen die Fotos lange betrachtet werden, bis man den hinterlassenen Abdruck überhaupt erkennt.

Schließlich endet Ana Mendietas Spur wiederum gewaltsam, fernab von Natur, Wiesen oder Sand. Mit nur 36 Jahren stürzte sie unter ungeklärten Umständen vom 34. Stockwerk ihres New Yorker Apartments. Wenn man ihren Film "People Looking at Blood" (1973) sieht, kann man an nichts anderes denken. Darin ist eine große Blutlache auf dem Asphalt zu sehen, an der die Passanten und Passantinnen mehr oder minder zügig vorübergehen. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 29.4.2014)