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In den vielfältigen Reaktionen auf die Erscheinung von Conchita Wurst steht immer wieder der Bart im Zentrum des Interesses.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Conchita Wurst hat den Eurovision Song Contest 2014 gewonnen. Und das ist gut so! Jedoch nicht weil man damit einen Toleranzbeweis für Europa und Österreich erbringen und die zahlreichen homo- und transphoben Anfeindungen gegen die PerformerIn relativieren oder unter den Teppich kehren könnte.

Was Conchita Wurst zeigt und was ihre Performance gleichermaßen politisch wichtig wie für die traditionelle Geschlechterordnung gefährlich macht, ist, dass ein natürliches Element queer werden und eine queere Geschlechterperformance natürlich werden kann.

Wie das? Und warum ist Drag noch immer subversiv?

Weniger Bart, mehr Frau

Obzwar Tom Neuwirth – alias Conchita Wurst – ganz klar thematisiert, dass er ein schwuler Mann ist, hat er es geschafft, mit seiner Conchita-Performance kontinuierlich Verwirrung in der öffentlichen Diskussion seines Geschlechts zu stiften. In den vielfältigen Reaktionen auf die Erscheinung von Conchita Wurst steht immer wieder der Bart im Zentrum des Interesses. Bei der Durchgabe der jeweiligen Punktezahlen ihrer Länder beim Song Contest haben einige ModeratorInnen mit Rasierern und Gesten auf den Bart der SängerIn angespielt. Die Performance von Weiblichkeit wird Conchita Wurst als Natürlichkeit abgenommen – der gezückte Rasierer in der Hand des Moderators zeigt: Es ist der Bart, dessen Rasur, die Ordnung der Geschlechter wiederherstellen kann.

Conchita ohne Bart, das wäre eine richtige Frau. Dass aber in diesem Fall die Rasur eine klassisch biologistisch verstandene Weiblichkeit nicht herstellen kann, könnten wir alle wissen. Es ist ein offenes Geheimnis. Aber ein glaubhaftes. Damit ist Tom Neuwirth in einer breiten Öffentlichkeit die sensationelle Darstellung dessen gelungen, was in der Genderforschung und der Queer Theory schon lange verhandelt wird. Geschlecht ist ein performativ hergestelltes.

Die Super-Weiblichkeit

Die Weiblichkeit der Conchita Wurst ist eine solcherart performte Super-Weiblichkeit, die von einem Bart durchbrochen wird, der für den die Weiblichkeit performenden Tom Neuwirth wenig "queer" ist. Der Bart ist nach traditionell biologistischem Geschlechterverständnis natürlich männlich, er wird jedoch zum queerenden Element im Zuge einer als natürlich empfundenen Weiblichkeits-Show. Ein natürliches Element wird queer und eine queere Geschlechterperformance wird natürlich. Und gerade deshalb ist Drag noch immer als subversive politische Praxis geeignet, um Geschlechternormen und -praktiken zu hinterfragen, zu dekonstruieren und um sie als künstliche Konstruktionen zu enthüllen.

Dass diese politische Praxis auch eine humorvolle, parodistische, selbstkritische und lustvolle sein kann, zeigt gerade die Performance von Conchita Wurst sowie zahlreicher anderer Drag Queens and Kings. (Esther Hutfless und Elisabeth Schäfer, dieStandard.at, 11.5.2014)