Die FPÖ ist empört. Das Life-Ball-Plakat sei "Sexismus in Reinkultur", hieß es in einer Aussendung. Das Plakat zeige auf "unverblümt ordinäre Art und Weise einen Transgender in seiner vollsten Pracht". Das Plakat bewirbt die Ausstellung des Künstlers David LaChapelle in Wien und auch den diesjährigen Life Ball am 31. Mai. Zu sehen ist darauf das Transgender-Model Carmen Carrera. Das eine Mal mit perfektem Frauenkörper, das andere mal mit ebenso perfektem Frauenkörper plus perfektem Penis. Neben ihrer wallenden Meerjungfrauenfrisur steht: "Ich bin Adam – Ich bin Eva – Ich bin ich".
Falsche Nacktheit
Dass die "unverblümte Darstellung" von Transgender Sexismus in Reinkultur sein soll, ist eine mehr als fragliche Auffassung von Sexismus. Doch mit dieser Empörung ist die FPÖ nicht allein. Zahlreiche Beschwerden gingen beim Werberat ein. Ob der Ärger aber tatsächlich einer ausgeprägten Sensibilität für Sexismus auf Plakatwänden entspringt, darf bezweifelt werden. Stein des Anstoßes ist vermutlich nicht der nackte, modelmäßige Frauenkörper, den man "seinen Kindern nicht zumuten kann", wie es in einer Beschwerde heißt. So einen können die Kinder schließlich in Doku-Soaps wie "Ein Leben für die Schönheit" bereits ab 20.15 Uhr am laufenden Band sehen. Es scheint nicht an der Nacktheit zu liegen, sondern an einer falschen Nacktheit.
Warum plötzlich so normal
Die Sexismus-Kritik hinkt gewaltig, und doch bleibt ein gewisses Unbehagen. Und dieses hat mit der Norm in einem Bild zu tun, das sich ja eigentlich gegen die Norm wenden möchte. Muss der Ruf nach Toleranz oder nach Aufhebung eines Begehrens, das sich nach Geschlecht sortieren soll, immer derart gemainstreamt schön sein? David LaChapelle sagt über seine Intention: "Meine Botschaft lautet: Schönheit hat kein Geschlecht." Doch warum diese konventionelle Ästhetik? Der begegnen wir ohnehin überall, zum Beispiel in jeder Frauenzeitschrift, wo sie bei den Leserinnen hochgradigen Stress auslösen kann. Ein völlig glattrasierter, schlanker, zarter Körper mit großem Busen, der aber trotzdem das Konzept Schwerkraft nicht zu kennen scheint. Warum bei "Schönheit" plötzlich so normal?
Nun: Auch in diesem Punkt kann das Plakat entlastet werden. Denn mit "normal" haben die vielen Bilder von perfekten Frauenkörpern in Zeitschriften, Filmen oder Werbespots selbst herzlich wenig zu tun. Erst nach einem ordentlichen Tuning via Photoshop dürfen diese Körper auf unsere Netzhaut treffen. Und das Fiese an diesen Bildern ist ja vor allem, dass sie so tun, also würde sie das "Natürliche", das "Normale" zeigen. So haben wir auszusehen.
Sich selbst zur Frau gemacht
Eben diese Kategorie des "Natürlichen" wird aber auf David LaChapelles Bild ad absurdum geführt. Sowohl durch den Weichzeichner-Overkill als auch durch Carmen Carrera selbst, die sich selbst einfach zur Frau gemacht hat – und diese Arbeit am Körper nun in Szene setzt.
Das hat mit den üblichen Darstellungen von Frauen, wie sie zu sein hätten, genauso wenig zu tun wie Sexismus mit der "ordinären" Darstellung von Transgender. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 19.5.2014)