Tamara Faith BergerPussyAus dem kanadischen Englisch von Kirsten RiesselmannVerlag Metrolit 2014

Foto: Metrolit Verlag

"Pussy" heißt der Roman von Tamara Faith Berger, und, ja, darum geht es. Wer will, kann der kanadischen Autorin einiges vorwerfen, sicher aber nicht, dass sie auf der derzeitigen Pornowelle bloß mitschwimmt: Die in Toronto Geborene verdient bereits seit 1999 ihren Lebensunterhalt mit dem verfassen pornografischer Geschichten.

"Pussy" ist ihr dritter Roman, ihr erster, "Lie with me", wurde bereits 2004 verfilmt. Dem Hype um "50 Shades of Grey" ist es wohl zu verdanken, dass Faith Berger jetzt auch auf Deutsch zu lesen ist. Anders als zum Beispiel Lars von Triers "Nymphomaniac" liefert "Pussy" einen weiblichen Blick auf Sex, Gewalt und Macht – was die Sache leider nicht besser macht.

Konfuser Plot

Dem Buch vorangestellt ist ein Zitat von Michel Houellebecq: "Der Traum aller Männer ist es, kleine geile Miezen kennenzulernen, die noch unschuldig, aber zu allen Obszönitäten bereit sind – was auf fast alle heranwachsenden Mädchen zutrifft" (aus: "Die Möglichkeit einer Insel", DuMont 2005).

Dieses fragwürdige Motto scheint zu passen, ist die Protagonistin der Geschichte doch eine 16-Jährige, die im Zuge eines missglückten Familienurlaubs in Key West einen um vieles älteren Mann kennenlernt und sich mit ihm samt seiner mysteriösen Freundin in eine gewalttätige Ménage-à-trois verstrickt. Um das Klischee gänzlich zu erfüllen, ist der Mann schwarz, das Mädchen weiß.

Den konfusen Plot unterbrechen die direkte Rede von Lee und Gayl, zweier sehr unterschiedlicher Frauen, die das Geschehen quasi auf einer Metaebene kommentieren - was zur Qualität nicht beiträgt, sondern beim Lesen den Eindruck vermittelt, als wolle sich die Autorin quasi selbst von ihrer Geschichte distanzieren. Ist es Ironie, ist es tiefere Bedeutung? Das bleibt unklar.

Ein Wust aus Erniedrigungsfantasien

Nicht, dass die aufgeklärte Leserin von einem pornografischen Roman allzu viel Psychologie und Figurenführung erwarten würde. Aber was sich auf den ersten 20 Seiten noch anlässt wie ein "Coming of Age", das spannende Fragen um Pubertät, Identität und Sexualität aufwerfen könnte, wird bald ein Wust aus Erniedrigungsfantasien. Gute Ansätze, wie etwa jene in der Beschreibung der intellektuellen Mutter, die im schäbigen Motel ein Buch über koreanische Trostfrauen liest, werden nicht weiterentwickelt.

Um die Sache auf die Spitze zu treiben, schreibt die Protagonistin Myra fürs College einen wirren Aufsatz zum Thema "Sexsklavinnen: Über Moderne, Fremdheit und Freiheit", bemüht Simone Weil und natürlich Georges Bataille. Dass sie dafür von ihren Lehrern nur einen Dreier und nicht wie von ihr erhofft einen Einser bekommt, lässt wiederum bei der Leserin Hoffnung aufkommen: Vielleicht war ja doch alles nicht ernst gemeint? Schlecht geschrieben bleibt es trotzdem. Auch von Tamara. (Tanja Paar, dieStandard.at, 22.5.2014)