Gleichbehandlung als Tarnanstrich für weitere Diskriminierung? Im Fall dieser Bundesheersoldatin eher nicht.

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Bereits zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren verlangt die SPÖ ein strengeres Gleichbehandlungsgesetz. Die ÖVP-Frauen wehren sich und geraten sofort als "vorsintflutlich" unter Druck. Man will eine unterschiedliche Behandlung aufgrund von Religion, Weltanschauung, Alter und sexueller Orientierung in der Zurverfügungstellung von Gütern und Dienstleistungen auch in der Privatwirtschaft verbieten.

Mit einem solchen Gesetz müsste ein jüdischer Hotelbesitzer seine Versammlungsräume gegen seinen Willen einer muslimischen Vereinigung öffnen. Ein Homosexueller dürfte seine Wohnung nicht mehr nur an andere Homosexuelle vermieten und ein privates Schienenverkehrsunternehmen seine Rabatte nicht jüngeren Menschen vorenthalten. Eine katholische Partnervermittlungsagentur, die sich auf das Zusammenführen von Menschen des gleichen Glaubensbekenntnisses spezialisiert hat, müsste Andersgläubige aufnehmen.

Mit dem von Rot und Grün geforderten Gesetz wäre die unterschiedliche Behandlung eines Mitglieds der nun privilegierten Gruppen nur dann legitim, wenn ein Richter diese für "angemessen und erforderlich" hielte: Die Folge wäre eine "richterlich regulierte" unternehmerische Freiheit, also aufwendige Verfahren und Rechtsunsicherheit für Unternehmen. Die vorgesehene Beweislastumkehr bzw. -verschiebung widerspricht unserem Rechtssystem und bringt zusätzliche Schwierigkeiten. Denn anstatt "im Zweifel für den Angeklagten" sieht die Gleichbehandlungsgesetzgebung ein "im Zweifel für das 'Diskriminierungsopfer'" vor. Die Zeiten für Unternehmer sind schwer genug - muss man ihnen solche zusätzlichen Sorgen und Zwänge aufbürden? Auch für den Staat bedeutet die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften einen Mehraufwand, den die Allgemeinheit bezahlen muss.

Der große Theoretiker der Gewaltenteilung, Montesquieu, sagte: "Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen." Gesetze müssen demnach erforderlich, angemessen und verhältnismäßig sein. Gleichbehandlungsgesetze privilegieren bestimmte Gruppen. Eine Privilegierung kann notwenig sein - aber es muss sehr gute Gründe dafür geben. Stichhaltige Anlassfälle konnten mir aber in der österreichischen Diskussion nicht genannt werden.

In Brüssel diskutiert man das Thema noch unter dem Namen 5. EU-Gleichbehandlungsrichtlinie. Sowohl der Zentralverband des Deutschen Handwerks als auch der deutsche Handelskammertag treten engagiert gegen diese EU-Richtlinie auf, weil sie "einen größeren bürokratischen Aufwand" und "vermehrte Rechtsunsicherheit" mit sich bringen würde. Auch die "faktische Benachteiligung von Nicht-Merkmalsträgern" durch Ausweitung des Diskriminierungsschutzes und schlichtweg das fehlende Diskriminierungsproblem werden als Gründe gegen das Gesetz genannt. "Massive Eingriffe in die verfassungsmäßig geschützte Vertragsfreiheit und die unternehmerische Freiheit sind dadurch programmiert."

Das renommierte Centrum für Europäische Politik spricht sogar von einer "Drohung mit hoheitlichem Eingreifen", mit dem eine "Umerziehung der Gesellschaft" angestrebt werden soll.

Wenn es um Fragen der Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung geht, werden gerne die Menschenrechte strapaziert. Es gibt aber kein Menschenrecht auf Nichtdiskriminierung zwischen Privaten. Stattdessen werden andere Menschenrechte aufs Spiel gesetzt: die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit als Ausfluss des Eigentumsrechts, ebenso die Religions- und Gewissensfreiheit.

Und wer entscheidet überhaupt, wer privilegiert wird? Dürfen andere Gruppen nach Herzenslust diskriminiert werden? Zum Beispiel Snowboarder, Rothaarige, Jäger, Raucher und weniger Gutaussehende? Sind einige gleicher als andere?

Exzessive Gleichbehandlungspolitik ist eine Therapie, die die Krankheit erst hervorruft: Laut einem Eurobarometer von 2009 fühlen sich die Schweden am meisten und die Türken am wenigsten diskriminiert. In vielen Punkten stellt die angebliche Lösung ein größeres Problem dar als das Ursprungsproblem selbst. Andere haben uns die Freiheiten, die wir heute genießen, hart erkämpft. Wir sollten sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. (Gudrun Kugler, DER STANDARD, 23.5.2014)