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Ängstlich schreitet Piper Chapman 15 Monaten Gefängnisstrafe entgegen.

Foto: ap/Barbara Nitke

Piper Chapmans bürgerliches Leben ist auf Schiene. Sie ist Managerin und tüftelt gerade an einer Geschäftsidee mit ihrer besten Freundin, von ihrem Freund hat sie freudestrahlend einen Verlobungsring entgegengenommen – es läuft gut für die schöne junge Frau. Einzig ihre Vergangenheit weist einige Makel auf. Im College hatte sie der Hedonismus fest im Griff. Mit ihrer damaligen Geliebten Alex frönte sie dank Geldwäsche (Drogengeld) dem Jetset, gemeinsam genossen sie das Leben und die Liebe. Der Verlobte ist ob dieser Vergangenheit zwar kurzfristig schockiert – wobei sich später herausstellt, dass er seine Verunsicherung angesichts Pipers sexueller Vergangenheit doch unterschätzt hat –, hält aber weiterhin zu ihr.

Mit dem "War on Drugs" ist nicht zu spaßen

Doch mit dem US-amerikanischen Justizsystem ist in Sachen "War on Drugs" wirklich nicht zu spaßen: Chapman muss sich verantworten und wird zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt. Wer sie nach so langer Zeit ans Messer geliefert hat, weiß sie nicht. Und so findet sich das nette Mädchen von nebenan in den Duschen eines Frauengefängnisses wieder, in denen Flipflops hygienebedingt ein absolutes Muss sind. Davon hat Piper natürlich keine Ahnung, und auch sonst erschließt sich ihr diese eingesperrte Welt samt eigenem Gesellschaftssystem erst nach und nach und auf oft schmerzliche Weise. Und während der Gatte in spe bereits in den ersten Wochen seit Pipers Inhaftierung sein Versprechen bricht, "Mad Men" nicht ohne sie weiterzusehen, lernt Piper, wie man sich im Gefängnis durchschlägt.

Frauen über vierzig und Women of Color

Es sind Geschichten und Figuren, die in anderen Serien gar nicht oder nur am Rande vorkommen. Mit Laverne Cox ist etwa eine schwarze Transfrau unter den Darstellerinnen. Überhaupt ist ein dermaßen geballtes Aufkommen von Frauen weit über vierzig und von Women of Color in einer TV-Serie eher selten. Wie im realen Gefängnisleben sitzen auch in "Orange Is the New Black" vor allem Afroamerikanerinnen, Latinas und Frauen aus unterprivilegierten Verhältnissen ein.

Es ist in dieser Fiktion – wie auch im echten Leben – somit überdeutlich, dass die Hautfarbe und die soziale Herkunft darüber entscheiden, ob man straffällig und ob man dafür verurteilt wird. Leider taucht trotzdem immer wieder die Mär von den "falschen Entscheidungen" auf, für die man eben mit einer Strafe geradezustehen hat. Wenn Piper ihrer Mutter, die ihre "Prinzessin" nicht mit den anderen Inhaftierten auf einer Stufe sehen will, erklärt, dass sie eben nicht besser sei, sondern wie alle anderen Insassinnen falsche Entscheidungen getroffen habe, steht das im Widerspruch zur Darstellung der Zusammensetzung der Insassinnen. Denn: Treffen weiße Frauen aus der Mittelschicht weniger "falsche Entscheidungen"? Oder liegt es doch an einem finanziellen Rückhalt, den nicht alle haben, an fehlender Chancengleichheit und Rassismus?

Illegal und vernünftig?

Und: Ist die Entscheidung für einen nicht ganz legalen Weg tatsächlich immer die blödeste? Seit Walter White aus "Breaking Bad" kann das zumindest bezweifelt werden. White erkrankt an Krebs, was spätestens nach seinem Tod seine Familie dank des US-amerikanischen Gesundheitssystems in den finanziellen Ruin getrieben hätte. Es erscheint in der Serie alles andere als irrational, einfach Crystal Meth in großen Mengen zu kochen und ins Drogengeschäft einzusteigen. Wie sonst lässt sich schneller sehr viel Geld verdienen? Eben.

"Orange Is The New Black" bewegt sich zwar in diesem einen Punkt der "falschen" oder "richtigen" Entscheidungen entlang bestimmter moralischer Vorstellungen. Dennoch macht die Serie klar, dass man sich im Gefängnis eine solche Moral nicht mehr leisten kann und dass das nur vernünftig ist – sofern man überleben will. Klar ist auch: Aus einem Gefängnis kommt man mit einem größeren Gepäck an strafbaren Taten raus, als man reingekommen ist.

Die Welt des Strafvollzuges macht da auch für den vormaligen Sonnenschein Piper Chapman keine Ausnahme. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 27.5.2014)