Bestickte Stoffe - auch als Dokumente von Rollenfantasien.

Foto: Frauenmuseum

Hittisau - Eine Ausstellung im Frauenmuseum zum Thema Rollenzuschreibungen im letzten Jahrhundert ist nichts Ungewöhnliches. Einzigartig hier jedoch die Wahl der Dokumente. Denn in der von Stefania Pitscheider Soraperra kuratierten Ausstellung Gestickte Moral. Spruchtücher zwischen Tradition, Rollenzuschreibung und Illusion sind es bestickte Stoffe, die Aufschluss geben über einstige Moralvorstellungen.

Vor allem zwischen 1870 und 1930 waren die Spruchtücher in fast jedem Heim zu finden, vielfach sogar noch bis in die 1950er. Darauf zu finden meist "Weisheiten", die Frauen zu Folgsamkeit, Fleiß und Tugend ermahnen. Das Frauenmuseum hat hunderte Spruchtücher gesammelt, unter anderem von Migrantinnen in kroatischer, italienischer, tschechischer oder ungarischer Sprache. Neben noch eher harmlosen Aufforderungen wie jene, die eigene Mutter zu ehren, finden sich auch erschreckende Aufrufe zur Duldung von Gewalt ("Bist du Amboss, sei geduldig, Bist du Hammer, schlage zu.").

Eine Erweiterung findet die Ausstellung durch Positionen zeitgenössischer Künstlerinnen. In ihren Arbeiten setzen sich Beate Luger-Goyer, Flurina Badel, Renate Hinterkörner, A.M. Jehle, Christine Lederer, Christine Pavlic, Carmen Pfanner, Maria Stockner und Zsófi Pittmann auf unterschiedliche Art mit gestickten Bild-Text-Kontexten auseinander.

Während A.M. Jehles Arbeit ein harmloses Spruchtuch in eine pointierte politische Aussage verwandelt, gestaltet die ungarische Künstlerin Zsófi Pittmann Spruchtücher mit Popmotiven. Flurina Badel wiederum wählt einen performativen Zugang. Ihr Video zeigt, wie sie sich in den Finger sticht, bis ihr gestickter Namenszug blutbefleckt ist. Die dem Sticken lange Zeit zugerechneten Weiblichkeitsideale werden in allen Arbeiten thematisiert. (Nicole Wehinger, DER STANDARD, 7./8.6.2014)