Am schönsten scheitern wir an den eigenen Ansprüchen: "Das Femcamp ist eine Mitmachkonferenz, jede Person kann sich einbringen", sprach Mahriah Zimmermann vom Organisationsteam im Vorfeld des feministischen Barcamps, das dieser Tage in Wien stattfand. Bald darauf brach der Shitstorm los (siehe dieStandard; #FemCampWien). Denn die Veranstaltung, die laut Absichtsbekundungen des queer-feministischen Organisationsteams zum Ziel hatte, Einstiegshürden "wirklich niedrig" zu halten, ließ sich ein Hintertürchen offen, durch das sie - schwupps - einige schon im Vorfeld wieder hinauskomplimentierte.

Erstmals mit Policy

Das Zauberwort zur Hintertür heißt "Policy". Diese sollte in diesem Jahr erstmals das freundliche Miteinander auf dem Barcamp regeln. Für jene, die nicht wissen, was das ist: Es geht bisweilen ein bisschen informell zu, weil die TeilnehmerInnen Inhalte und Ablauf bestimmen, nur der zeitliche Rahmen ist fix. Nun kam das Femcamp im letzten Jahr sehr gut ohne schriftliche Policy aus. Es wurde zu netzpolitischen Themen mit Fokus auf Frauen in Social Media referiert und diskutiert - mitunter auch kontroversiell. Zu Übergriffen oder Schlägereien kam es nicht, obwohl unter den rund 120 TeilnehmerInnen rund 20 Männer waren. "Cismänner", wie sie die VeranstalterInnen in diesem Jahr nennen.

Für all jene, die nicht wissen, was das bedeutet: Die Policy des Femcamp 2014 erklärt es nicht. Aber sie sagt auf Serbisch/Kroatisch/Bosnisch, Türkisch, Englisch und Deutsch: "Egal welches Geschlecht, welche sexuelle Orientierung, welcher Bildungsgrad, Körpergröße, Hautfarbe, soziale Herkunft oder Religion etwa ein Mensch, der die Konferenz besucht, besitzt. Für Störungen beziehungsweise Belästigungen oder übergriffiges Verhalten ist auf unserer Veranstaltung kein Platz." Hellhörig wird Frau beim Wörtchen "unserer".

Nichts für Nicht-ExpertInnen

Dieses ominöse Wir postuliert weiter: "Bei alldem sind wir uns bewusst, dass es in unserer Gesellschaft ungleiche Machtverhältnisse gibt und Diskriminierung nur in jeweils eine Richtung passiert (es gibt keinen 'umgekehrten Rassismus' oder 'Sexismus gegen Cis-Männer)." An dieser Stelle wird es krude und abgehoben. Nicht-ExpertInnen werden kaum wissen, dass Cisgender das Gegenteil von Transgender meint, also das Empfinden, dass die Geschlechtsidentität mit dem angeborenen, körperlichen Geschlecht übereinstimmt. "Cismänner" sind also jene als solche geborenen, die sich auch so fühlen.

Manche dieser "Cismänner" möchten gern am Femcamp teilnehmen, dürfen aber nicht. Weil sich einzelne, anonym bleiben wollende TeilnehmerInnen, im Vorfeld belästigt fühlen, wird die Policy vom Organisationsteam zur Ausgrenzung verwendet. Das ist kontraproduktiv und schadet der feministischen Sache. Gewiss darf und soll es geschützte Räume für Frauen, Kinder oder Gewaltopfer geben. Aber erst ein offenes Diskussionsforum auszurufen und dann potenziellen Widerspruch durch Ausschluss zu verhindern, ist kontraproduktiv. Ins Fäustchen lachen und auf Twitter mit Gewalt gegen Frauen drohen jetzt jene, die die Sinnhaftigkeit einer solchen Veranstaltung immer schon in Frage gestellt haben. Zu Unrecht. (Tanja Paar, dieStandard.at, 23.06.2014)