Wien - Bundespräsident Heinz Fischer wünscht sich von der Regierung eine Einigung auf den Zeitpunkt der Steuerreform. Die beiden Parteien müssten Gemeinsamkeiten aufgreifen und daran "sachlich, energisch und zielorientiert" arbeiten, sagt er im APA-Interview. Die Aggression in "Hasspostings" findet er besorgniserregend, warnt aber "vorschnellen Verboten", Türkisch als Maturafach sieht er positiv.

"Intensive Debatte"

Fischer will sich weiterhin nicht auf einen Wunschtermin für die Steuerreform festlegen, wünscht sich aber von der Regierung, dass sie diese Entscheidung bald trifft. Es gebe ja "einige Fixpunkte", sagt er: SPÖ und ÖVP seien sich grundsätzlich einig, "dass es eine Steuerreform geben soll und dass der Eingangssteuersatz auf jeden Fall spürbar gesenkt werden muss", sie hätten sich bereits in den Regierungsverhandlungen auf spätestens 2016 dafür verständigt.

"Fasst diese gemeinsamen Punkte zusammen. Und steigt in eine korrekte, intensive Debatte über die sinnvollsten Änderungen im österreichischen Steuersystem ein. Dann ist die Entscheidung zu fällen, was der bestmögliche und unter objektiven Gesichtspunkten sinnvollste Zeitpunkt für das Inkrafttreten ist", so der Appell des Präsidenten. Dabei gelte es sowohl den Budgetvollzug 2014 und die Budgetziele 2015 als auch positive konjunkturelle Auswirkungen nach Inkrafttreten einer Entlastung abzuwägen und zu berücksichtigen.

Machtgefüge

Bei seiner Einschätzung, dass man das Machtgefüge zwischen Bund und Ländern neu ordnen sollte, bleibt er, auch wenn ihm das wenig Applaus bei den Landeshauptmännern eingebracht hat. "Jemanden 'Zentralist' zu schimpfen ist ebenso wenig hilfreich oder abendfüllend, wie ihn 'Föderalist' zu schimpfen". Es zeige sich eben, dass "Verfassungsfragen auch Machtfragen sind. Diese Fragen sind jetzt ziemlich festgefahren. Hier an der Aufgabenverteilung, an der Geldverteilung, an der Machtverteilung etwas zu ändern, ist unglaublich schwierig. Um etwas in Bewegung zu bringen, gehört bekanntlich mehr Kraft dazu als etwas in Ruhe zu halten. Und diese Kraft für Veränderung ist eben nur sehr beschränkt vorhanden. Bei allen Beteiligten." Fischers Befund: "Das ist alles sehr mühsam."

Bundeshymne

"Mit sehr großem Unbehagen und mit Sorge" hat er die gehässigen Postings auf der Facebook-Seite von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) registriert. Anlass war die Debatte um die Bundeshymne. "Man darf das nicht als ein Mehrheitsphänomen betrachten. Aber selbst wenn es nur einige 1.000 Menschen gibt, die in dieser Form Aggressionen abladen, ist das ein Armutszeugnis und besorgniserregend."

Patentrezept dagegen hat Fischer keines und sieht noch einiges an Diskussionsbedarf: "Mit Verboten werden wir da nicht viel erreichen." Dass mehrere Jahre nach Änderung des Hymnentexts wieder eine breite Diskussion ausgebrochen ist, "hat keine rationale Grundlage", sagt er. "Ich nehme an, dass das nach dem Sommer vorbei ist." Für ihn selbst sei die Änderung "kein Thema von zentraler Relevanz" gewesen. Er habe sie stets als "schöne symbolische Geste" einer veränderten Gesellschaft, in der auch die Frauen sichtbar gemacht werden, gesehen. "An dieser meiner Einstellung hat sich auch durch die jüngste Entwicklung nichts geändert."

Burka-Verbot

Für eine Diskussion über ein Burka-Verbot dagegen - ein weiteres aktuelles Sommer-Thema - sieht der Präsident keinen Anlass: "Das ist ein Problem, über das man sich aufregen kann, wenn man sich aufregen will."

Fischer widerspricht auch Kritikern, die nicht zuletzt anlässlich des jüngsten Besuchs des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan der türkischen Community mangelnden Integrationswillen attestieren. "Ich glaube, die übergroße Zahl will sich vernünftig integrieren, ist bemüht, deutsch zu lernen. Man darf diese positiven Aspekte nicht übersehen." Mit Türkisch als Maturafach hätte Fischer kein Problem: "Das halte ich für vernünftig, warum nicht?". Jedes Fach, das in der Oberstufe bis zur achten Klasse unterrichtet werde, komme auch als Maturafach in Frage.

Als obersten Befehlshaber der Streitkräfte erreichen Fischer immer wieder Warnungen, dass das Bundesheer aus Spargründen bald seine Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. Doch wenn alle sparen müssen, und man nimmt ein Ressort aus, "dann wird es für die anderen noch viel schwerer", bekräftigt er. "Es ist offensichtlich, dass es hier eine Durststrecke gibt, die man bestmöglich überwinden und so kurz wie möglich halten muss. Die Generäle versicherten mir aber, dass es falsch sei zu behaupten, das Bundesheer sei nicht einsatzfähig. Es gibt aber unleugbare Probleme." (APA, 4.7.2014)