Als ihr Brautzug im Sommer 1817 in Florenz steckenblieb, hätte Maria Leopoldine Josepha Caroline von Österreich, Tochter von Franz I., die Chance gehabt, ihrem Leben eine andere Wendung zu geben. Fürst Metternich, der auch von ihr Gefürchtete, hegte plötzlich Bedenken gegen die von ihm eingefädelte Verheiratung der knapp 20-jährigen Kaisertochter nach Brasilien - wohl auch, weil Gerüchte von einer Revolte ebendort die Runde machten. Dass die Bedenken berechtigt waren, sollte sich bald zeigen. Die Kaiserin aus Österreich, die in Brasilien noch heute verehrt wird, weil sie die Unabhängigkeit von Portugal durchsetzte, sollte ein kurzes und zutiefst unglückliches Leben in der Ferne führen. Um ihren frühen Tod ranken sich bis heute Gerüchte.

Doch damals in Florenz antwortete Leopoldine, von der Habsburger-Familie zärtlich "Poldl" genannt, dem sinistren Fädenzieher des Wiener Hofes: "Es mag geschehen, was will, ich gehe nach Brasilien. Im Unglück hat mich mein Gemahl noch nötiger."Da sprach ganz die streng-konservativ und gottesfürchtig erzogene Erzherzogin aus der jungen Frau - aber nicht nur. Leopoldine, die für damalige europäische Schönheitsbegriffe nicht besonders attraktiv war mit der wulstigen Habsburgerlippe, hatte sich bereits in ein Porträt ihres künftigen Gatten, Dom Pedro von Portugal, verliebt. Die frömmelnde, etwas verklemmte und zur Schwärmerei neigende Poldl hatte eigentlich schon die Hoffnung auf einen Gemahl aufgegeben.

Denn ein passender Ehemann (noch dazu einer, der dynastisch ins Konzept passte) geziemte sich für eine Erzherzogin - und nicht das, was Leopoldine eigentlich am meisten liebte: die Beschäftigung mit Physik, Astronomie, Botanik und, besonders, Mineralogie. Denn die Poldl war eine begabte und hochintelligente Frau.

So lag es denn auf der Hand, dass Leopoldine, nach dreimonatiger Schiffsreise in Rio de Janeiro angelangt, bald großen Einfluss auf die Politik ihres unsteten, launischen (und ziemlich ungebildeten) Gatten nahm. Die portugiesische Königsfamilie kehrte, nachdem die "napoleonische Gefahr" in Europa endgültig gebannt war, mit den beiden ältesten Kindern des Paares nach Portugal zurück - zurück blieben der 23-jährige Pedro und seine 24-jährige Frau, beide politisch unerfahren, in einer höchst unübersichtlichen und instabilen Situation. Pedro besprach alle Regierungsangelegenheiten mit Leopoldine und folgte meist ihrem Rat. Als er sich 1822 zu einer Reise nach São Paulo entschloss, ließ er Leopoldine als Regentin zurück. Im September 1822 verkündete Pedro - von ihr beschworen - die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal.

Trotz dieses politischen Erfolgs fühlte sie sich fremd in Brasilien. Sie litt unter dem tropischen Klima und den ewigen Seitensprüngen, Affären und Wutausbrüchen ihres Mannes. Dennoch war sie ungemein aktiv: Sie holte Wissenschafter ins Land, forschte selbst - sogar eine Palmengattung ist nach ihr benannt.

Mit Pedro, der sie demütigte und schlug, hatte sie sieben Kinder. Das achte war eine Fehlgeburt, nachdem ihr Gatte sie bei einem Streit heftig in den Bauch getreten hatte. Zehn Tage später starb sie, 29-jährig, unter ungeklärten Umständen im Boa-Vista-Palast in Rio de Janeiro. Vermutet wird heute, dass sie an den Folgen der Misshandlungen starb.

Die sterblichen Überreste der "Mutter" der brasilianischen Nation liegen heute im Mausoleum des Museu Paulista in São Paulo begraben. An Leopoldine erinnert auch die Kleinstadt Santa Leopoldina im Bundesstaat Espírito Santo, die nach der unglücklichen Österreicherin benannt wurde. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 12.13.7.2014)