Ruth Wodak nutzt ihre Erkenntnisse für sprachpolitische Maßnahmen. 

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Nach antisemitischen oder rassistischen Sprachspielen à la "Daham statt Islam" muss in Österreich nicht lange gesucht werden. In Zeiten rechtspopulistischer Hochkonjunktur liefert die Linguistin Ruth Wodak den theoretischen Hintergrund für diese sprachlichen Strategien und erklärt die Zusammenhänge zwischen Sprache und Macht.

Ruth Wodaks Forschungsinteresse an den sprachlichen Mechanismen von Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung hat auch ein persönliches Motiv: Ihre jüdische Mutter, die Chemikerin Erna Mandel, sowie ihr Vater Walter Wodak mussten vor den Nazis fliehen. Nach dem Krieg trat er in den Diplomatendienst ein. Tochter Ruth kam am 12. Juli 1950 in London zur Welt und wuchs in Belgrad, Paris, Moskau und Wien auf. Zu Beginn ihres Studiums 1968 ist Ruth Wodak von Noam Chomskys Arbeit zur Satzgrammatik fasziniert.

Dennoch stellt sie bald fest, dass es vor allem die sozialen Dimensionen der Linguistik sind, die sie fesseln. Schon für ihre Dissertation (1974) erhält Wodak den Theodor-Körner-Preis, die erste in einer Reihe von Auszeichnungen. Darin untersucht sie das Sprachverhalten von Angeklagten bei Gericht und zeigt, dass Angehörige weniger privilegierter Schichten im Vergleich zu Leuten aus der "Oberschicht" öfter verurteilt werden. Der Grund: die Anpassungsversuche der Angeklagten aus unterprivilegierten Schichten an die Hochsprache, die immer wieder zu Fehlern beim Sprechen führen - was ihnen als Unglaubwürdigkeit ausgelegt wurde.

Erste Wittgensteinpreisträgerin

Auch Ausgrenzung durch Auslassung beschäftigt die Soziolinguistin und Diskursanalytikerin: In den 1990ern - seit 1991 ist Wodak ordentliche Professorin für Angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Wien - verfasst sie mit der Linguistin Karin Wetschanow einen Leitfaden für geschlechtergerechte Formulierungen. Auch Schulmaterialien zum Thema Rassismus hat Wodak erarbeitet.

1996 erhält sie den Wittgenstein-Preis und ist damit die erste Frau, die den höchstdotierten Wissenschaftspreis Österreichs entgegennimmt. Mit dem Preisgeld gründete Wodak die Gruppe "Diskurs, Politik, Identität", die an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesiedelt ist und zu europäischer Identität forscht. Nach Auslaufen des Wittgenstein-Preises wollte die ÖAW ihr Forschungszentrum nicht mehr unterstützen. Damit wurde ein anerkanntes Zentrum für Diskursforschung zerstört, sagt Wodak. Auch wurde sie nie zum "wirklichen Mitglied" der ÖAW gewählt und blieb "korrespondierendes Mitglied" - bis zu ihrem gänzlichen Austritt 2012. Sie sei lieber "dort, wo man mich willkommen heißt", sagte die Linguistin in der Wiener Zeitung. Willkommen war sie an der Universität Lancaster: 2004 folgte Wodak dem Ruf an den prestigeträchtigsten Lehrstuhl für Diskursanalyse.

Und was sagt eine Sprachwissenschafterin ihres Formats zu der Frage der politischen Korrektheit in der Sprache, die so vielen unter den Nägeln brennt? "Ich halte den Anspruch, einen respektvollen Ausdruck zu wählen, für richtig." (Beate Hausbichler, DER STANDARD, 16.7.2014)