Eine umfangreiche Biografie Ruth Fischers ist von Mario Keßler 2013 im Böhlau-Verlag veröffentlicht worden.

Foto: Böhlau-Verlag

Stalin hasste sie. Gegen Hitler kämpfte sie. Dem McCarthy-Ausschuss für unamerikanische Umtriebe arbeitete sie zu - und denunzierte vor diesem sogar ihre eigenen Brüder Hanns und Gerhart.

Dabei waren diese langjährige politische Weggefährten - auf einem Weg, der von Leipzig über Wien, Berlin, Moskau und Washington nach Paris führte, wo Ruth Fischer am 13. März 1961 an Herzversagen verstorben ist. Geboren wurde sie am 11. Dezember 1895 als uneheliches Kind eines Wiener Studenten aus gutbürgerlicher jüdischer Familie und der Tochter seines Leipziger Quartiergebers. Aufgewachsen ist sie in Wien, sie besuchte dort das Rasumowsky-Gymnasium - wo sie sich bereits 1913 dem "Sprechklub sozialistischer Mittelschüler" anschloss.

KPÖ-Mitglied Nummer 1

Dann kam der Krieg und mit ihm die Radikalisierung: Unter dem Namen Elfriede Eisler (nach ihrem Vater Rudolf Eisler) studierte sie Wirtschaftswissenschaften und Philosophie - "ihr zunächst recht vages Sozialismusbild bekam scharfe Konturen: Sozialismus bedeutete nun für sie entschiedene Opposition zum Krieg", schreibt ihr Biograf Mario Kessler in Ruth Fischer - ein Leben mit und gegen Kommunisten (Böhlau-Verlag). Und als der Krieg zu Ende ging, wurde sie (nun unter dem Familiennamen ihres Mannes, des Kommunisten Paul Friedländer) Mitglied Nummer eins der am 3. November 1918 gegründeten KPÖ, der ältesten kommunistischen Partei außerhalb Russlands.

Es begann der Kampf gegen den bürgerlichen Staat, die Reste der Monarchie und gegen die sozialdemokratischen Arbeiterräte, die den Kommunisten zu wenig radikal erschienen. Begleitet wurde das von einer intensiven Programmarbeit, zu der sie unter anderem die Aufsätze "Die Befreiung der Frau" und "Sexualethik des Kommunismus" beisteuerte - gleichzeitig lehnte sie jede Zusammenarbeit mit nichtkommunistischen Frauen ab.

Karriere in KPD und Reichstag

1919 übersiedelte sie nach Deutschland, wo sie unter dem Namen Ruth Fischer (Familienname ihrer Mutter) rasch in der Parteihierarchie der KPD aufstieg. Am 23. Mai 1924 wurde sie dann vom ZK mit dem Vorsitz des politischen Sekretariats betraut - damit war sie Parteichefin. Die erste Frau überhaupt, die an der Spitze einer Massenpartei stand.

Ernst Thälmann kritisierte Fischer als Linksabweichlerin und Intellektuelle, sie wurde 1925 auf Stalins Wunsch abgesetzt, zeitweise in Moskau festgehalten und 1927 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Arkadi Maslow aus der KP ausgeschlossen. 1928 verlor sie ihr Reichstagsmandat und arbeitete fortan in der Kinderfürsorge. 1933 musste das Paar Fischer-Maslow vor den Nazis nach Paris fliehen, wo Fischer als Sozialarbeiterin arbeitete und Kontakt mit Leo Trotzki pflegte.

Verfolgt von Stalin und Hitler

1940 mussten Fischer und Maslow erneut vor Hitler fliehen, er landete auf Kuba, sie in den USA. Als Maslow am 21. November 1941 unter ungeklärten Umständen in Havanna starb, war für Ruth Fischer klar, dass Stalin dahintersteckte. Mit der gleichen Leidenschaft wie zuvor dem Kampf für die Arbeiterbewegung widmete sie sich jetzt dem Kampf gegen den Stalinismus und denunzierte ihren Bruder Gerhart als Komintern-Agenten beim FBI. Bis zu ihrem Tod blieb sie eine Linke - aber in Distanz zum Sowjet-Kommunismus. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 17. 7. 2014)