Die österreichischen Strafverfolgungsbehörden haben ein Problem: Das moderne Berufsbild einer menschenrechtskonformen Behörde hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Manche Staatsanwälte übertreiben ihre Rolle als schneidige Ankläger, der Good Cop weiß nicht, was der Bad Cop treibt, und Justitia tut gelegentlich nur so, als ob sie blind und somit unbeeinflussbar wäre.

Dabei gab es gerade in der jüngeren Zeit vielversprechende Ansätze. Konrad Kogler etwa, der Sicherheitsgeneraldirektor für die öffentliche Sicherheit, wollte die Polizei zur größten Menschenrechtsorganisation des Landes machen.

Will er immer noch, doch der Weg dort hin dürfte noch lang sein, wie die jüngsten rassistischen Vorwürfe gegen einen Polizisten aus Tirol zeigen. Positiv ist anzumerken, dass es ein Kollege aus den eigenen Reihen ist, dem die Empfehlung des Vorgesetzten, bei türkischen Verkehrssündern keine Verwarnung, sondern immer gleich eine Strafe zu verhängen, sauer aufstieß.

Untersuchung angekündigt

Fairerweise muss dazu gesagt werden, dass hier Aussage gegen Aussage steht. Die Chefs des Beschuldigten können nicht glauben, dass derart diskriminierende Tipps Teil einer Schulung waren - oder dass rassistische Witze den Polizeialltag aufheitern. Im Innenministerium wurde aufgrund der STANDARD-Recherchen bereits eine Untersuchung angekündigt.

Auch die Justiz ist nicht gerade zimperlich, wenn es um den Umgang mit Verdächtigen geht. "Söldner", "Späher" und "martialische Phalanx" steht im Akt von Josef S., jenem deutschen Staatsbürger, dem vorgeworfen wurde, für Randale bei der Demo gegen den FPÖ-Akademikerball verantwortlich zu sein.

Feindseligkeit hat in Amtssprache nichts verloren

Derartige Ausdrücke mögen im Drehbuch von "Terminator" angebracht sein, in einer sachlichen Amtssprache hat diese Feindseligkeit jedoch nichts verloren. Damit wurde ein Spin erzeugt, der fast schon einer Vorverurteilung gleichkam. Und tatsächlich wurde Josef S. nun wegen Landfriedensbruchs, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung zu einem Jahr teilbedingt verurteilt. Ob dieses Urteil in der nächsten Instanz halten wird, ist mehr als fraglich.

Die Demo gegen den rechten Ball war eskaliert, daran gibt es nichts zu rütteln. Höchstwahrscheinlich waren es linke Provokateure, die die Polizei auf dem falschen Fuß erwischten. Josef S. war mittendrin, im Prozess konnte aber nur einer von dutzenden Polizisten den Studenten aus Jena als Rädelsführer identifizieren. Er selbst hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Weil er bereits sechs Monate in Untersuchungshaft verbracht hat, muss er nicht mehr ins Gefängnis.

Vorsorgliches Wegsperren in Vorverfahren ist ein beunruhigender Trend in diesem Land. Nach den Freisprüchen für die Tierschützer, die monatelang wie Mafiosi hinter Gittern gehalten worden waren, hatte man den Eindruck, dass die Strafverfolgungsbehörden aus Fehlern gelernt hätten. Doch im Zusammenhang mit den missliebigen Votivkirche-Flüchtlingen zeigten Polizei und Justiz erneut Härte und konstruierten einen Schlepperring, der den Betroffenen bis zu acht Monate U-Haft einbrachte. Im Prozess brachen die Vorwürfe zusammen wie ein Kartenhaus, der Prozess läuft noch, die Angeklagten wurden aber enthaftet.

Was den Strafverfolgungsbehörden fehlt, ist der offene Umgang mit Kritik. Dabei geht es gar nicht so sehr um disziplinäre Konsequenzen, sondern um den Aufbau einer strukturellen Qualitätskontrolle. (Michael Simoner, DER STANDARD, 23.7.2014)