Eine Artikelserie widmet sich Ideen, die am Kapitalmarkt Orientierung geben

Wien - Kein Buch ziert so viele heimische Haushalte wie das Sparbuch. 41 Prozent des gesamten heimischen Geldvermögens schlummern im Schnitt zwischen seinen beiden Deckeln, mehr als 223 Milliarden Euro. 0,4 Prozent an Sparzinsen stehen aktuell im durchschnittlichen täglich fälligen Sparbuch, zeigen Daten der Nationalbank. Bei fixen Laufzeiten können es auch deutlich mehr sein. Doch was in den Sparbüchern steht, hat nichts mit dem pekuniären Sachverhalt zu tun.

An den Finanzmärkten macht sich die Realität gerne rar. Zwar handeln Aktien- und Anleihenmärkte im Sekundentakt, und Preise für allerlei Wertpapiere werden täglich tausendfach gestellt. Sparer können auf den Cent genau berechnen, wie hoch die Sparzinsen ihrer Einlagen sind. Doch schwieriger zu beurteilen ist der wirkliche, reale Wert einer Anlage.

Fallstrick "Geldillusion"

Verhaltensökonomen machen immer wieder eine "Geldillusion" aus. Denn unser Gehirn hat Probleme mit realen Werten. Die Inflation - etwa gemessen an der Teuerung der Lebenshaltungskosten - fällt gerne unter den Tisch. Eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent klingt daher gut, selbst wenn die Preise um 15 Prozent steigen (eine reale Gehaltskürzung). Die Inflation wird gerne ignoriert - auch bei der Geldanlage.

Drei Prozent Sparzinsen wie vor der Krise klingen nach viel, doch nach Abzug der Kapitalertragssteuer und einer Inflation von 2,5 Prozent gab es auch damit eine reale Entwertung, nur dass sie nicht bemerkt wurde.

"Unrentable Sparformen"

Die Nullzinspolitik hat wohl mit dem jahrzehntelang dokumentierten Phänomen der Geldillusion aufgeräumt. "Anleger können sich heute die reale Rendite entsetzlich leicht ausrechnen. Bei kurz laufenden sicheren Papieren gibt es null Rendite, die Inflation entspricht damit der negativen Realverzinsung", sagt Jürgen Lukasser, der das Investment Office der LGT Bank Österreich leitet. Über viele Jahre macht dieser Effekt viel aus. Wer sein Geld lange zu negativen Realzinsen anlegt, muss herbe Einbußen in der Kaufkraft hinnehmen (siehe Grafik).


"Negative Realzinsen auf Sparbüchern sind aber kein neues Phänomen", gibt Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch in Köln, zu bedenken. "Gerade Österreich und Deutschland leiden schon seit Jahrzehnten darunter, dass Vermögen mit unrentablen Sparformen vernichtet wird." Neben Versicherungen zählen für Vorndran Spareinlagen zu dieser Vermögensvernichtung. Denn beide Sparformen böten wenig Inflationsschutz.

Jährliche Vermögensvernichtung

Für Österreich lässt sich das auch mit Zahlen belegen. Bereits vor der Antikrisenpolitik der Europäischen Zentralbank in den Jahren 1996 bis 2007 lagen die realen Zinsen nach Steuern bei heimischen Sparbüchern bei rund minus 0,55 Prozent auf täglich fällige Einlagen. Im Schnitt der vergangenen Jahre (2008-2013) lag die jährliche Entwertung bei rund 1,5 Prozent. Jährlich werden so Milliarden an Wert real vernichtet.

"Das Sparbuch hat nie den Sinn gehabt, Vermögen zu bilden", schließt Vorndran aus den Daten. Stattdessen sei es nur als Parkplatz für Geld geeignet. Der kürzlich für Österreich mit 1,5 Prozent festgelegte Garantiezins für Lebensversicherungen liegt ebenfalls unter dem Inflationsniveau.

Und Besserung ist laut Lukasser noch nicht in Sicht: "Die große Zinswende wird auch nicht so bald kommen, das Thema des unattraktiven Geldmarktes wird uns noch auf Jahre hin begleiten." Daher haben sich Investoren bereits auf eine Jagd nach Rendite begeben und viele Anleihenmärkte, selbst solche mit Ramschbonitäten, abgegrast (siehe Artikel unten).

Doch was bleibt einem Anleger übrig, der mit einem langen Zeithorizont sparen will? "Wer langfristig denkt, sollte über verschiedene Anlageklassen diversifizieren, Aktien gehören hier klarerweise dazu", sagt Lukasser. "Leider gibt es gerade in Europa keine richtige Aktienkultur." Auch für Vorndran steht fest, dass es ohne Beteiligung am Wirtschaftswachstum langfristig nicht geht: "Nach Steuern und Inflation ist es ohne Aktien unmöglich, real Kapital aufzubauen." (Lukas Sustala, DER STANDARD, 25.7.2014)