Hermes Phettberg vor dem Wiener Westbahnhof, 1998

Foto: Sepp Dreissinger

Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, Wien 1996

Foto: Sepp Dreissinger
Copyright: Friederike Mayröcker

Am Anfang war das Bild. Und dann erst folgen die Worte. So oder so ähnlich ließe sich das ganze Projekt vielleicht am besten beschreiben, das der 1946 in Vorarlberg geborene und über die Grenzen Österreichs bekannte Fotograf Sepp Dreissinger derzeit verfolgt.

Denn in zwei Jahren wird der Mann, der seit Jahrzehnten zahllose große Künstlerinnen und Künstler, darunter Maler, Musiker, Schauspieler – Maria Lassnig, Joe Zawinul oder Klaus Maria Brandauer, um nur ein paar wenige zu nennen –, aber vor allem auch die allermeisten heimischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller (allen voran Thomas Bernhard, aber auch Elfriede Jelinek, Peter Handke oder Elfriede Gerstl) in seinen unvergleichlichen Schwarz-Weiß-Porträts verewigt, 70 Jahre alt und bittet nun die von ihm porträtierten Menschen um Texte, Texte zu seinen Bildern.

Die große Friederike Mayrröcker hat gleich einmal den Anfang gemacht und wählte ein Foto, das den Schauspieler und Autor, vielen noch aus seiner Nette Leit Show im Fernsehen bekannten Hermes Phettberg vor dem Wiener Westbahnhof zeigt. Siehe unten:_Mayröcker also schrieb und Phettberg antwortete, wie er es formulierte "in höchster Verlegenheit bitte ich nun Gott und alle guten Geister, mir zu verzeihen, dass ich meinerseits Friederike Mayröcker und Ernst Jandl kommentiere".

Die vorliegende Seite bietet somit einen ersten Vorgeschmack auf etwas, das gerade erst im Entstehen ist. "Und bitte schreiben Sie, dass ich erst in zwei Jahren siebzig Jahre alt werde", sagte Fotograf Sepp Dreissinger am Telefon lachend. Bei der Vielzahl an Menschen, die er seit den späten 1970er-Jahren fotografiert hat, wird er die kommenden zwei Jahre jedenfalls jede Menge zu tun haben. Wir sind gespannt. (mia)

Mayröcker über Phettberg

Copyright: Friederike Mayröcker

Phettberg über Mayröcker/Jandl

Von: Hermes Phettberg
An: Sepp Dreissinger
Gesendet: Do 24. 7. 2014

Sepp Dreissinger, der große Fotograf von Thomas Bernhard, plant zu seinem Siebziger Kommentare zu seinen Fotos, und ich Wurm wurde auch gefragt. Friederike Mayröcker wählte als Foto, das sie kommentieren möchte, wie ich vorm Westbahnhof stand. In höchster Verlegenheit bitte ich nun Gott und alle guten Geister, mir
zu verzeihen, dass ich meinerseits Friederike Mayröcker und Ernst Jandl kommentiere:

"Ernst Jandl und Friederike Mayröcker – interstellar weit entfernt,

haben sich, so weit nur geht, angenähert.

Triebwerkumkehr (nur einstweilen notiert)

Entschuldige, Sepp, wenn wer die Interstellarität Mayröcker Jandl nicht kennt, ...,

Meiner Interstellarität haben selbst wärmste Gewänder ...

(Kursivschrift: von Sir eze nicht freigegeben)

Ernst Jandl wohnte in derselben Gasse, und Frau Mayröcker wohnt im
Nachbarbezirk.

Einmal trafen wir uns aber im Café Museum.

Sie müssen von mir gehört haben, denn sie standen auf, als ich ins Café
hineinkam.

Ich erschrak zu Tode, als sie aufstanden. Im Weinviertel geschieht so etwas nicht.

Ich bin Sado/maso geworden. Ich habe keine Art. Mein Großvater war
Essigsieder bereits in Wien und ging oft in die Kapuzinergruft. Frau May röcker stammt auch aus dem Weinviertel. Voller Hochachtung voreinander. Im Kindergarten hatte ich Angst, dass Mädchen mich küssen könnten.

(Kursivschrift: Speichern und aufhören und alles vorlesen jetzt.)

HNO-Arzt Dr. Dechant, der Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Hemma bemerkte:

„Wenn du erscheinst ...“

Mein Erscheinen ist ein einziges Protzen. Entschuldigung Entschuldigung Entschuldigung.

(Kursivschrift: Alles speichern. Alles speichern. Alles speichern. Punkt aus. Das ist jetzt der Schlusssatz. Lies mir alles vor, tu einmal alles speichern, Verzeihung.)“

Do: 24:7:14: 20:43


Von: Hermes Phettberg
An: Sepp Dreissinger
Gesendet: Fr 01. 08. 2014

Herzlieber Sepp, so gern hätte ich auch den Herrn Dechant von der Pfarrgemeinde St. Hemma erwähnt. Und noch etwas ganz Wichtiges: Vorgestern war ich in Retz und hielt Ausschau nach der Ortschaft Deinzendorf. Und da entdeckte ich, dass Deinzendorf winzignahe neben Unternalb liegt. Vor circa zwei, drei Jahren hielt Frau Friederike Mayröcker eine Lesung in der Kirche Deinzendorf ab. Ich gräme mich arg, dass ich da nicht hinging, obwohl ich wusste, dass Frau Mayröcker aus Deinzendorf wäre.

Ergebenst, Dein elender Hermes Phettberg

(Album, DER STANDARD, 9./10.8.2014)