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Mitglieder der Feministischen Initiative jubeln nach der Bekanntgabe des EU-Wahlergebnisses im Mai.

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Gudrun Schyman feiert 2005 die Gründung der Feministischen Initiative.

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Gudrun Schyman (rechts) mit Jane Fonda, einer Unterstützerin der Feministischen Initiative.

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Mit der Feministischen Initiative (Feministiskt initiativ) hat bei den EU-Wahlen im Mai in Schweden eine Partei mit dezidiert feministischer Agenda mehr als fünf Prozent und damit einen Sitz im Europäischen Parlament erreicht. Die Gründerin und Vorsitzende der Partei, Gudrun Schyman, erklärt im Gespräch mit derStandard.at was die Ziele der Partei nach der EU-Wahl sind und warum Feminismus auch Männer etwas angeht.

derStandard.at: Die Feministische Initiative hat bei den letzten EU-Wahlen im Mai 5,3 Prozent der Stimmen in Schweden erreicht – haben Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet?

Gudrun Schyman: Ja, wir haben die letzten Jahre über hart daran gearbeitet. Die Feministische Initiative hat bereits 2006 an den ersten nationalen Wahlen in Schweden teilgenommen, vor fünf Jahren gab es EU-Wahlen, bei denen wir etwas mehr als zwei Prozent erreicht haben.

derStandard.at: Wie würden Sie diesen Erfolg jetzt erklären – von etwa zwei Prozent auf mehr als fünf zwischen zwei EU-Wahlen?

Schyman: Es hat sich viel innerhalb der Gesellschaft und in der politischen Diskussion verändert. Viele Menschen haben gemerkt, dass Schweden kein Land der totalen Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist, Rassismus, Homophobie und Transphobie sind außerdem allgegenwärtig – in Schweden so wie in anderen Ländern.

Deshalb war eine Partei notwendig, die ihre Stimme erhebt; die Feministische Initiative verwendet Feminismus als analytisches Instrument. Wenn wir sagen, dass wir gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sind, dann inkludieren wir auch jede andere Form der Diskriminierung. Die Feministische Initiative ist damit auch eine der stärksten antirassistischen Parteien.

derStandard.at: Im Zusammenhang mit feministischen Themen in der Politik gilt Schweden vielen in Europa oft als Vorbild.

Schyman: Natürlich gibt es Bereiche, in denen wir anderen Ländern weit voraus sind, zum Beispiel was die Erwerbsbeteiligung von Frauen betrifft. Dennoch sind Frauen am Arbeitsmarkt bei der Bezahlung benachteiligt und öfter finanzieller Instabilität ausgesetzt.

derStandard.at: Hat Schwedens Politik versucht, hier gegenzusteuern?

Schyman: Man hat sich in den letzten Jahren oft zurückgehalten und geschwiegen. Die anderen Parteien machen Gleichberechtigung oft zu ihrem Ziel, aber sie werfen nicht die richtigen Fragen auf und entwickeln keine nachhaltigen politischen Konzepte. Sie behandeln Feminismus immer noch eher am Rande, er ist nicht Teil ihrer aktiven Politik.

derStandard.at: Wie reagieren Sie mit dieser Einstellung auf neue Bewegungen, die sich stark vom Feminismus abgrenzen und ihn oft als hysterisch oder männerunterdrückend betrachten?

Schyman: Nicht alle können immer derselben Meinung sein, das ist klar. Wenn man zufrieden mit dem jetzigen System ist, dann wird man sich nicht dagegen aussprechen. Es sind aber sehr viele Menschen der Ansicht, dass sich sehr wohl etwas ändern muss.

derStandard.at: Auch außerhalb Schwedens? Gibt es mittlerweile Pläne, die Idee einer feministischen Partei auf andere Länder der EU auszudehnen?

Schyman: Natürlich – wir haben sehr viele Nachfragen aus verschiedenen EU-Staaten erhalten, mit einer Kooperation unter diversen Parteien haben wir unter anderem in Polen und Deutschland begonnen. Die Bewegung wächst also und wird sich auch international ausdehnen. Unser Ziel ist natürlich, dass viele Listen der Feministischen Initiative bei der nächsten EU-Wahl antreten und wir dann eine Fraktion im Parlament bilden können.

derStandard.at: Momentan ist die Feministische Initiative Teil der sozialdemokratischen Allianz im EU-Parlament. Wieso haben Sie sich dazu entschieden, dieser Fraktion beizutreten?

Schyman: Mit dieser Gruppe haben wir viele gemeinsame Interessen. Sie ist die zweitgrößte Fraktion im EU-Parlament – damit haben wir größere Chancen, etwas zu erreichen und unsere Ziele zum Teil zu verwirklichen.

derStandard.at: Glauben Sie, dass damit einige Ihrer Wählerinnen und Wähler unzufrieden sind?

Schyman: Wir hatten innerhalb der Partei eine diesbezügliche Diskussion, und viele sind glücklich darüber, dass wir den Schritt in Richtung Sozialdemokratie gegangen sind. So können wir unseren Sitz im Parlament konstruktiv nutzen, und er fungiert nicht nur als Protestmittel.

derStandard.at: Was möchten Sie im EU-Parlament erreichen?

Schyman: Es geht für uns vor allem um die Stärkung der Menschenrechte. Für uns heißt das, sich aktiv für Frauenrechte und gegen jegliche Form der Diskriminierung einzusetzen. Der Entscheidungsprozess der EU findet zwar nur wenig im Parlament selbst statt, aber ein Sitz darin ist eine gute Plattform, um Diskussionen anzuregen.

derStandard.at: Die nächsten Wahlen in Schweden finden bereits im September statt – was erwarten Sie sich von dieser Abstimmung?

Schyman: Ich erwarte, dass die Feministische Initiative die Hürde von vier Prozent überschreitet und in das schwedische Parlament einziehen wird sowie in einige regionale und lokale Parlamente.

derStandard.at: Die Feministische Initiative tritt für eine EU-weite Ausdehnung des schwedischen Verbots der Prostitution ein – ist ein Verbot hier die einzige Lösung?

Schyman: Ich halte das schwedische Gesetz für sehr gut. Viele Länder haben sich bereits interessiert an dem schwedischen Modell gezeigt und überlegen, es zu übernehmen.

derStandard.at: Könnte sich die Lage der Sexarbeiterinnen durch die Illegalität nicht verschlimmern?

Schyman: Ich glaube nicht, dass es für sie gefährlicher werden kann, als es jetzt bereits ist. Natürlich wird Prostitution durch ein Verbot nicht verschwinden, aber die Polizei hat durch das Gesetz mehr Möglichkeiten zur Strafverfolgung. Außerdem hat sich Schweden dadurch zu einem unattraktiven Standort für Menschenhandel entwickelt. Das zeigt sehr deutlich, wie eng diese beiden Bereiche miteinander verknüpft sind. Viele Länder sprechen sich deutlich gegen Menschenhandel aus, erlauben aber Prostitution – auf dieser Basis lässt sich das Problem aber nicht diskutieren.

derStandard.at: Die Feministische Initiative spricht sich auch dezidiert gegen das schwedische Militär aus.

Schyman: Wir sind eine politische Partei, die nicht an Militarismus glaubt. Probleme können unserer Ansicht nach nicht militärisch gelöst werden. Wir müssen hier einen zivilisierten Schritt vorwärts gehen und jegliche Form der Gewalt verbieten. Mit Gewalt will man immer in gewisser Hinsicht Kontrolle und Macht erlangen, ob im kleinen Rahmen zwischen zwei Menschen oder zwischen Staaten in militärischen Konflikten.

derStandard.at: Wie viele männliche Mitglieder hat die Feministische Initiative?

Schyman: Derzeit sind es zwischen 20 und 25 Prozent. Beim Feminismus geht es darum, Stereotype abzubauen, er ist eine Befreiung für Frauen und Männer. Und immer mehr Männer verstehen das auch. (Noura Maan, derStandard.at, 12.8.2014)