Wien muss 1000 neue Klassenzimmer für schulpflichtige Kinder schaffen. Freie, offene Bildungsräume gehören bei den Schulcampus-Arealen, wie jenem am neuen Hauptbahnhof, zum Konzept.

Foto: PID

Wien - In weniger als zwei Wochen sind in Wien die Sommerferien vorbei. Das ist auch der Startschuss für den neuen Bildungscampus im Sonnwendviertel am Wiener Hauptbahnhof. Er ist das derzeitige Vorzeigeprojekt von Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SP): Statt Schiefertafeln gibt es Whiteboards, Klassenzimmer heißen Bildungsräume, und der Unterricht soll zum Teil im Freien stattfinden. Die Investitionskosten liegen bei 79 Millionen Euro, im Endausbau sollen 1100 Schülerinnen und Schüler am neuen Campus unterrichtet werden.

In den kommenden 15 Jahren wächst die Zahl der Wiener Bevölkerung um 250.000 Personen an (DER STANDARD berichtete). Auch die Zahl der schulpflichtigen Kinder wird deutlich steigen. Gab es 2014 noch rund 145.000 schulpflichtige Kinder in Wien, sind es Prognosen zufolge im Jahr 2025 bereits 170.000 Kinder.

Um sich für den Zuwachs der schulpflichtigen Kinder zu wappnen, muss die Stadt Wien zusätzliche Klassenräume schaffen. Berechnungen aus dem Büro des Bildungsstadtrats zeigen, dass der Mehrbedarf bis dahin alleine für die schulpflichtigen Kinder bei insgesamt rund 1000 Klassenzimmern liegt. Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass ein Klassenzimmer 1,2 Millionen Euro kostet. Es ergibt sich laut der Stadt Wien ein jährlicher Investitionsbedarf von rund 100 Millionen Euro. Das betrifft Schulerweiterungen, Schulsanierungen, aber auch Schulneubauten.

Um die Neubauten finanzieren zu können, greift die Stadt auch auf Public-Private-Partnership-Modelle (PPP) zurück; darunter versteht man eine gemeinsame Finanzierung von öffentlicher Hand und privaten Investoren.

Zehn weitere Campus-Areale

Zwar ist der nun fertiggestellte Campus am Hauptbahnhof kein PPP-finanzierter. Der 2010 eröffnete Campus am Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs ist aber ein Beispiel dafür: Die Baufirma Porr und die Bank Austria waren an der Finanzierung beteiligt. Zehn weitere solcher Gebäude, wo Kindergarten und Pflichtschule zusammengefasst werden, sollen bis 2023 in ganz Wien entstehen, unter anderem in Stammersdorf, Aspern oder Favoriten.

Kritik kommt von der Architektenkammer. In erster Linie deshalb, weil die PPP-Verträge unter Verschluss bleiben. Das verursache Intransparenz, kritisiert die Kammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten. Präsident Peter Bauer sagt: "Wir haben die Sorge, dass durch komplizierte Verträge das öffentliche Interesse nicht berücksichtigt wird."

Alternative Modelle

Daher untersucht die Kammer alternative Modelle, die sowohl die Finanzierung, bildungspolitische Anliegen und Anforderungen, zeitgemäße Mitsprachemöglichkeiten als auch hochwertige Baukultur bestmöglich sicherstellen sollen. Die Kammer will die Ergebnisse ihrer Recherchen demnächst Oxonitsch übergeben.

Dem Bildungsstadtrat sind mehr oder weniger die Hände gebunden. Wegen der Maastrichtkriterien darf die Neuverschuldung pro Jahr eine gewisse Summe nicht überschreiten. "Es ist völlig unverständlich, warum eine Investition für Generationen in einem einzigen Jahr Maastricht-wirksam wird", beklagt er sich beim STANDARD.

Wie sich die Zusammensetzung der Schüler - Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund, sozioökonomischer Hintergrund - in den kommenden 15 Jahren wandeln wird, ist derzeit noch schwer vorauszusehen.

Hälfte der Kinder mit Migrationshintergrund

Laut nationalem Bildungsbericht waren 2010/11 in Wien mehr als die Hälfte aller Volksschulkinder mit nichtdeutscher Alltagssprache. Nachdem die Zuwanderung - nicht nur aus Österreich, sondern auch aus dem (EU-) Ausland - steigen wird, ist davon auszugehen, dass auch die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund größer wird. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 20.8.2014)