Der Bestseller im Angebot der israelischen Keshet-Gruppe: In der Castingshow "Rising Star" stellen sich Gesangstalente nicht nur Juroren und Saalpublikum. Via App schalten sich Zuseher über eine Videowand dazu und entscheiden über Wohl und Wehe der Kandidaten.

Foto: Keshet

Keshets Chefproduzentin Granit Noham.

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Wien - Wenn TV-Entwickler nach Ideen für neues Programm Ausschau halten, blicken sie derzeit hauptsächlich in Richtung Israel. Ein Hitformat nach dem anderen hat offenbar hier seine Wurzeln. Ob das die großartige Politserie "Homeland" ist, die im israelischen Original "Hatufim" heißt, oder "Three", das in Großbritannien als "Girlfri3nds" unterhält. Oder "I Dare You", das in Australien als "Deal With It" erfolgreich ist. Oder "Ramzor", das in Russland als "Traffic Light" fesselt. "Wenn es in Israel geht, dann geht es überall", ist mittlerweile unter TV-Vermarktern ein geflügeltes Sprichwort.

Wesentlich am weltweiten Erfolg israelischer TV-Formate beteiligt ist Granit Noham, Chefproduzentin von Keshet International, der Produzentenschmiede der Keshet Media Group, dem wichtigsten Formatlieferanten des Landes: "Das israelische Publikum ist offenbar sehr anspruchsvoll und gleichzeitig ungeduldig", sagt Noham. Keshets Cashcow ist "Rising Star". In der Castingshow stimmen Zuseher live via App direkt für oder gegen die Gesangstalente. Solcherart aktives Einflussnehmen auf Wohl und Wehe der Kandidaten begeistert seit 2013 in mehr als 25 Ländern zwischen Argentinien und der Ukraine. Mehr als 1,5 Millionen Mal wurde die App in Israel heruntergeladen. Mehr als zehn Millionen Votes zählte man in den ersten 15 Shows, die im Fernsehen einen Marktanteil bis zu 49,4 Prozent schafften. Ab 28. August hofft RTL auf Quotenglück.

Israels führende Mediengruppe

Mehr als ein Jahr arbeitete Noham an "Rising Star": "Wir wussten von Anfang an, dass die Show mit den Gewohnheiten der Zuschauer zusammenpassen musste", sagt Noham im STANDARD-Interview. 1993 gegründet, mit Sitz in Tel Aviv, ist Keshet Israels führende Mediengruppe. Mit Keshet Broadcasting bespielt der Konzern Channel 2, den wichtigsten Privatsender des Landes. Rechte an Formaten vertreibt Keshet über die Tochter Keshet International.

Das Geheimnis des Erfolges? "Es gibt keine Formel", sagt Noham. "Wir halten Ausschau nach Menschen mit starken Geschichten." Am ehesten sei es "Ruhelosigkeit", sagt Noham. "Als Broadcaster sind wir verpflichtet, großartiges Fernsehen herzustellen. Das Publikum fordert uns, sodass wir auf Perfektion abzielen", sagt Noham. "Wir müssen uns ständig weiterentwickeln, um unvergleichbar zu sein." Die Frage, welchen Einfluss der Krieg auf das israelische Unterhaltungsfernsehen hat, bleibt unbeantwortet. Stellung bezieht Keshet höchstens über die Produkte: Die Serie "Arab Labor" veralbert israelischen Rassismus in den Augen einer muslimischen Familie. Oder "Boom!", Keshets skurril anmutender Verkaufsschlager - eine Spieleshow mit bombigem Unterhaltungswert.

Eskapismus pur

Keshets Erfolg hängt wohl mit erhöhter Nachfrage an eskapistischer TV-Ware am internationalen Markt zusammen. Dem Alltag übers Unterhaltungsfernsehen zu entfliehen hat in Israel Tradition, anderswo hat das ebenfalls wieder Hochkonjunktur, wie televisionäre Sozialexperimente wie "Utopia", "Adam sucht Eva" und "Married at First Sight" zeigen. Israelisches TV kommt dem Bedürfnis offenbar derzeit am besten nach. (Doris Priesching, DER STANDARD, 20.8.2014)