Weil's schon öfter Thema war im Forum hier und auch sonst schon oft auf Verwirrung gestoßen ist: Was bedeuten eigentlich diese Sternchen in den Artikeln nach gewissen Wörtern wie cis* oder trans* oder in Pluralen wie Informatiker*innen?

In den Kommentaren gab es bereits verschiedene, unter anderem sehr kreative Erklärungsvorschläge für diese spezielle Schreibweise, mit denen ich teilweise übereinstimme. Hier also mal meine Sicht der Dinge aka "Wieso ich das Sternchen verwende". Nicht zu verstehen als allgemeine Erläuterung dieser Ausdrucksweise; es gibt auch genug andere Gründe, weshalb einige Leute sich für das Sternchen entscheiden.

Ausdrücke, die möglichst alle repräsentieren

Zunächst geht’s mir bei der Schreibweise um geschlechtergerechte Sprache – und zwar um eine, die möglichst alle Geschlechter berücksichtigt, also nicht nur Männlich- und Weiblichkeit.

Das berühmte Binnen-I seh ich als einen Schritt in die richtige Richtung, denn es wirkt Sexismen, die sich in der Sprache ausdrücken (und auch da sehr wohl wirksam sind), entgegen, und das ist schon lange fällig. Es bildet jedoch auch ab, was im vorherrschenden Geschlechtersystem anerkannt und vertreten wird: nämlich nur zwei Geschlechter. Genau das soll das Sternchen besser machen.

Im Forum wurde unter anderem suggeriert, das Sternchen im Sinne der Syntax der "regular expressions" zu verstehen. Kurze Erklärung dazu: reguläre Ausdrücke (engl. "regular expressions", kurz "regex") sind Zeichenketten, die nach gewissen formalen Regeln gebildet werden und sich in der Informatik großer Beliebtheit erfreuen.

Ein klassischer Anwendungsfall ist etwa die Suche nach einem Wort bzw. einer Zeichenkette in einer Menge von Zeichenketten, auch bekannt als Text, mittels eines regulären Ausdrucks, der eine gewisse Menge aller möglichen Zeichenketten spezifiziert. Das Sternchen (eigentlich in Kombination mit einem ihm vorangestellten Punkt) steht dabei für "Beliebiges in beliebiger Anzahl", also quasi "alles": Wer also nach einem Dateinamen mithilfe des regulären Ausdrucks "file.*cpp" sucht, findet alle Dateien, die mit "file" beginnen und mit "cpp" enden. Dazwischen kann wirklich alles stehen.

Foto: Mike

Dasselbe gilt etwa für den Ausdruck "si*er" (das alleinige Sternchen hat in vielen Implementierungen dieselbe Bedeutung, die es nach strenger Regex-Syntax in Kombination mit dem Punkt hat): Diese Schreibweise stellt den Versuch eines Pronomens dar, welches potenziell alle Geschlechter miteinbezieht. Also quasi "sie", "er", und alles, was es da sonst noch so gibt.

Dass jedoch nur das männliche wie das weibliche Pronomen auch sichtbar ausformuliert sind, hat mitunter den Nachteil, dass dieser Ausdruck immer noch eine Männlich-Weiblich-Binarität nahelegt, wobei sich zwischen den beiden entgegengesetzten Polen "Frau" und "Mann" die anderen Geschlechter sozusagen als Abstufungen auf einem Kontinuum bewegen.

Dies kann auch beim Plural, den ich ja ebenfalls mithilfe der Sternchen ausdrücke, so verstanden werden, ist aber nicht intendiert. Er ist eben wirklich als Ausdruck zu verstehen, der von seiner Struktur her alle null bis n Geschlechter repräsentieren kann, die sich wohl kaum einzeln sprachlich fassen ließen in einem Text, der irgendwann enden soll – ganz abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, wie viele Geschlechter es eigentlich gibt, und sie somit gar nicht alle durch deren explizite sprachliche Bezeichnung miteinbeziehen könnte.

Daher also der Kunstgriff mit den formalen Ausdrücken und Metazeichen, die das dann für mich übernehmen. Die sind immerhin nicht nur in der Informatik etwas sehr Praktisches.

Fußnoten, die nirgends stehen

Das Sternchen nach cis und trans hat eine etwas andere Funktion: Die beiden lateinischen Begriffe legen ja nahe, dass es sich bei "trans-gender" um einen Wechsel des Geschlechts handelt, und bei "cis-gender" um ein Beibehalten desselben. So weit, so gut. Bloß: Dieser Ansicht liegt meist wiederum die binäre Geschlechterideologie zugrunde, nach der es a priori zwei Geschlechter gibt, von denen jeder Mensch "von Natur aus" genau eines hat, was somit erst gewechselt werden muss.

Die ungekennzeichneten Wörter cis und trans könnten somit verschleiern, dass es sich bei Geschlecht um ein gesellschaftliches Konstrukt handelt. Das Sternchen kann daher, wie ebenfalls im Forum nahegelegt, als Verweis zu einer Fußnote verstanden werden, die nicht ausformuliert ist, mithilfe derer aber das soeben Genannte zusammengefasst wird auf einen einzelnen Begriff, also cis* und trans* oder Frau* und Mann*. Somit muss nicht jedes Mal, wenn von einem "Mann" die Rede ist, dieser Begriff ersetzt werden durch "ein Mensch den wir durch unsere Sozialisation bedingt als männlich lesen".

Aber zugegeben, als ich die ersten Texte las, bei denen die Rede von "Frauen*" war, kam mir ebenfalls der Gedanke von fehlenden Fußnoten, und ich war erst mal ziemlich verwirrt. Ich wusste nur, dass es offensichtlich irgendwas mit der Bezeichnung "Frau" auf sich haben musste, worüber ich mir somit Gedanken machte. Kann mir gut vorstellen, dass dieses durch das Stören des Leseflusses ausgelöste Grübeln durchaus durch die Autor*innen beabsichtigt war.

Ich habe aber auch sehr verzweifelt nach der erklärenden Fußnote gesucht, die mich vielleicht eher auf fruchtbare Gedanken gebracht hätte. Vielleicht wäre es wirklich sinnvoll, diese "Fußnoten" künftig überall auszuformulieren. Deshalb ja mal die Erklärung hier.

Sprachbilder und Sonderzeichen

Jedenfalls ist das Sternchen also vielseitig, hat einen weniger unterstützenden Effekt für die Zwei-Geschlechter-Logik als etwa der Unterstrich - der ja allein aufgrund seiner optischen Beschaffenheit eine Kontinuierlichkeit zwischen männlich und weiblich suggeriert, denn er sieht wie eine verbindende Linie aus - und ist obendrein doch ganz hübsch.

Leute, die der Ästhetik des Sprachbildes nachtrauern, welche sie durch die ganzen Sternchen zerstört sehen, könnten ja zum Beispiel ein kleines Gemälde an seiner Stelle malen, wäre sicher auch schön. Aber auch eine Beschäftigung mit gewissen formalen Sprachen ist empfehlenswert – danach dürften Sternchen, Punkte, Dollarzeichen und Co mitten im Text nichts Ungewöhnliches mehr sein.

Übrigens, weil mir diese Frage auch gestellt wurde: Ich kenne zwar Leute, die das Sternchen tatsächlich auch dazusprechen, also es nicht nur schreiben, tue dies aber selbst nicht. Das kann mensch gern als konventionsbedingte Inkonsequenz deuten.

Die ist ja auch der Grund, weshalb ich nicht immer ein Sternchen nach den Wörtern Frau und Mann schreibe, obwohl dies ebenso im Sinne des Aufzeigens vom Konstruktcharakter dieser Kategorien wäre (siehe die Schreibweise cis* und trans*). Aber manchmal wird ja auch aus dem übrigen Text ersichtlich, was mit diesen Begriffen eigentlich gemeint ist, hoffe ich zumindest. Und wenn nicht, dann steht's eben noch irgendwo in den Sternen. (Mike, dieStandard.at, 25.8.2014)