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Gewaltausübung durch einen nahestehenden Menschen ist noch immer die häufigste Menschenrechtsverletzung an Frauen.

Foto: apa/PETER KLAUNZER

"Psychische Gewalt macht keine blauen Flecken, da haben wir rechtlich viel zu wenig Handhabe", betont Andrea Brehm, Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser. Brehm und zahlreiche andere Vertreterinnen von NGOs waren kürzlich zu Gast bei einem ExpertInnengespräch im Bundesministerium für Bildung und Frauen. Der Anlass: Der im März angekündigte Nationale Aktionsplan (NAP) zum Schutz der Frauen vor Gewalt wurde Ende August im Ministerrat angenommen.

Er umfasst 64 Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Gewaltprävention für die nächsten drei Jahre. "64 Maßnahmen zu viel, weil noch nicht alles erledigt ist", wie es Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ausdrückt. Bereits 2011 sei der Abschluss des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Istanbul von Österreich unterzeichnet worden, am 1. August 2014 ist diese "Istanbuler Konvention" in Kraft getreten.

Istanbuler Konvention

"Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir schon gut unterwegs, aber auch in Österreich gibt es noch etliches zu tun", so die Ministerin. Gewaltausübung durch einen nahestehenden Menschen ist, so wird im NAP festgehalten, noch immer die häufigste Menschenrechtsverletzung an Frauen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Gewalt an Frauen als ein weltweites Problem der öffentlichen Gesundheit. Die Kosten häuslicher Gewalt würden laut Institut für Konfliktforschung allein in Österreich mit mindestens 78,36 Millionen Euro angenommen.

Wie facettenreich Gewalt auftritt, belegen die Beispiele der versammelten ExpertInnen: vom Cybermobbing, das durch möglichst flächendeckende Prävention in der Schule abgefangen werden solle, bis hin zur massiven häuslichen Gewaltanwendung, von der Marlies Leitner vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich berichtete: "Das Kontaktrecht des Vaters wiegt meist schwerer als die Schutzbedürftigkeit von Kindern." In diesem Zusammenhang wurde auch die ausständige Evaluierung der gemeinsamen Obsorge angesprochen.

5.700 Kinder allein in Wien betroffen

Im Jahr 2013 unterstützte die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie (IST) 453 Kinder, die selbst misshandelt wurden, mehr als 5.700 Kinder und Jugendliche waren im Vorjahr in Wien durch indirekte Gewalt betroffen, indem sie Gewalt an einem Elternteil (meist an der Mutter) miterlebten, so die IST. "Deswegen ist Prävention so wichtig", sagt Heinisch-Hosek, "damit Kinder von klein auf lernen, Nein zu sagen, und sich die Gewalterfahrung nicht fortsetzt."

Über sexualisierte Gewalt berichtete Christa Jordan-Rudolf vom Verein "Selbstlaut" und beschrieb dessen Präventionsarbeit zum Thema und wie er Lehrerinnen und Lehrer bei der Aufdeckung von sexuellen Übergriffen unterstützt.

Von der Mädchenarbeit in Niederösterreich erzählten Nadja Husar und Katrin Tamandl. Die Streetworker, so ihre Erfahrung, arbeiteten "zu 80 Prozent mit Burschen". Die jungen Mädchen kämen da oft zu kurz, es sei nicht einfach, gerade diese Zielgruppe, "die keine Kinder mehr sind, aber auch noch keine Frauen", in offener Jugendarbeit zu erreichen.

Laura Schoch von der Bundes Jugend Vertretung berichtete von dem Projekt "Gewaltfrei leben Du & ich", bei dem ab diesem Herbst in Workshops MultiplikatorInnen zum Thema ausgebildet werden sollen, nämlich, wie sie betont, "Mädchen und Burschen, die vom Alter her nicht so weit weg sind von denen, mit denen sie arbeiten". So sollten diese leichter Zugang zu von Gewalt Betroffenen finden.

Die 64 im NAP formulierten Maßnahmen sollen nicht vom Bundesministerium für Bildung und Frauen allein umgesetzt werden. Insgesamt sind sieben Ministerien, darunter die für Inneres, Justiz, Gesundheit, Familien und Jugend involviert. Die Maßnahmen umfassen u.a. Datensammlung, Forschung, Bildung, Täterarbeit und Prävention in Form von Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierungsarbeit. (Tanja Paar, dieStandard.at, 3.9.2014)