Freda Meissner-Blau kämpfte gegen Atom- und Wasserkraftwerke.

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Bewusst angestrebt habe sie ihre politische Karriere nicht, sagt Freda Meissner-Blau. Es sei alles einfach passiert, Schritt für Schritt, von einem Aufenthalt in Afrika in den frühen 1950er-Jahren, "wo ich viel Jammer gesehen habe", über ihre Zeit in Paris, als sie - verheiratet und mit drei kleinen Kindern - Übersetzungsarbeiten für daheim angenommen hatte: aus dem Wissensgebiet ihres ersten Ehemannes Georges de Pawloff, eines Atomphysikers.

Nach einiger Beschäftigung mit Texten über die friedliche Nutzung der Kernenergie habe sich ihr eines Tages die Gretchenfrage gestellt: "Und was macht man eigentlich mit den hochgiftigen Brennstäben?" Die Antwort -"Wir zerschneiden sie, umhüllen sie mit Glas, darüber einen Stahlmantel, darüber Beton, und dann schmeißen wir sie in den Ozean" - habe sie auf der Stelle zu einer Atomkraftwerksgegnerin gemacht.

Dieses Engagement brachte die Politikerin und Publizistin, Tochter aus einer altösterreichischen Offiziers- und Industriellenfamilie und im deutschen Dresden aufgewachsen, nach ihrer Rückkehr in Österreich ins Zentrum der damals entstehenden Umweltbewegung. Anfang der 1970er-Jahre gab es hier Planungen für sechs Atomkraftwerke - gebaut wurde nur ein einziges, in Zwentendorf. Nach einer mehrheitlich ablehnenden Volksabstimmung 1978, für die sich auch Meissner-Blau engagiert hatte, ging es nicht ans Netz. Auch ein Wasserkraftwerk in den Hainburger Donauauen wurde nach der Besetzung derselben in den Jahren 1984/85 nicht errichtet, Meissner-Blau war eine der wichtigsten Gegnerinnen.

Mit der "Liste Freda Meissner-Blau" ins Parlament

1986 trat die damals 49-Jährige bei der Bundespräsidentschaftswahl als Kandidatin der Öko-Aktivisten und aller anderen an, die sich als Grüne formierten - gegen Kurt Waldheim (ÖVP), Kurt Steyrer (SPÖ) und den, wie sie sagt, "wirklich rechtsextremen" Otto Scrinzi (FPÖ). Im Herbst desselben Jahres schaffte sie als Spitzenkandidatin der "Liste Freda Meissner-Blau" den Ersteinzug ins Parlament, mit gleich acht Mandaten. Sie wurde Klubchefin der Grünen - die erste in Österreich - und blieb das bis zu ihrem Ausscheiden aus der Tagespolitik im Jahr 1988.

Im Grunde sei das alles Ausdruck "eines Lebens, das aus Wandel besteht", sagt die heute 88-Jährige, die am 21. September in Wien ihre Autobiografie präsentiert, Titel: Die Frage bleibt. Klar aber sei: Ohne die feministisch engagierten Frauen der Pariser Unis Sorbonne und Nanterre im Jahr 1968 "wäre ich wohl nie so weit gekommen". Deren Aufbäumen gegen redenschwingende Männer, deren Empörung ob der Erkenntnis, dass sie von den "Genossen" nicht für voll genommen werden, hätten sie mitgerissen - ebenso wie die ganze damalige änderungsschwangere und euphorische Stimmung.

So sehr, dass ihre bisherige Existenz aus den Fugen geriet. "Mir ist meine Situation als Frau und Mutter klargeworden. Dass ich, aus einer bürgerlichen Familie stammend, deren Lebensentwürfe einfach weitergetragen hatte", schildert Meissner-Blau. Am Ende dieses Erkenntnisprozesses ließ sie sich von de Pawloff scheiden. Mit ihrem zweiten Mann, dem Journalisten Paul Blau, hatte sie keine Kinder.

Auf den Schultern von Feministinnen

1968 und in den Folgejahren sei, was die Rolle der Frau angeht, viel aufgebrochen, sagt Meissner-Blau. Heute sei das anders, im Verhältnis der Geschlechter existierten einander vielfach widersprechende Entwicklungen: "Da gibt es die jüngere Frauengeneration, die auf den Schultern der Feministinnen einen besseren Start hatte. Sie kommt zum Teil recht weit und bewirkt viel Positives." Aber es gebe auch einen Backlash: Frauen, die vor allem dem Schönheitsideal entsprechen wollten und einen möglichst reichen Mann suchten. Und dann gebe es Frauen aus Gesellschaften, "in denen die Männer grimmig ihre Machtbastionen verteidigen. Jedes Mal, wenn ich am Graben Tiefverschleierte sehe, bin ich verzweifelt." (Irene Brickner, DER STANDARD, 5.9.2014)