Graz - Um etwa 80.000 Euro wurde die Förderung des Musikprotokolls, jenes ältesten Festivals für musikalische Moderne in Österreich, gekürzt. Entsprechend war das Programm wohl zu konzentrieren, bevor es finanziell, wie es heißt, nächstes Jahr wieder etwas besser wird. Das allerdings bedeutet nicht, dass beim Besuch der (im Rahmen des Steirischen Herbstes) stattfindenden Reihe nicht der Eindruck von Opulenz aufzukommen vermag. Da wäre etwa das Karussell am Grazer Karmeliterplatz, dessen Dienste Besucher in Anspruch nehmen konnten. Wobei: Jede Kreisfahrt stand in Verbindung mit Musik - KünstlerInnen aus ganz Europa schrieben für das Karussell Stücke. Interessante Idee.

Auch ein Besuch der Helmut-List-Halle konnte durch die Idee einer Zusammenführung von orchestralen Spezialisten für Modernes berücken. Es fängt zwar gewissermaßen asketisch an: Das Klangforum Wien tritt als Formation mit Trompete, Posaune, zwei Schlagwerken, E-Gitarre und Cello an, um Pierluigi Billones Ebe und anders zu interpretieren: Im perkussiv dominierten Stück, das Clement Power dirigiert, treten vornehmlich Gitarrensounds an, atmosphärische Einfärbungen vorzunehmen. Reizvoll. Punktuell allerdings kam das Bedürfnis nach konkreterer dramaturgischer Architektur auf.

Bei dem vom ORF Radio-Symphonieorchester Wien umgesetzten Gezeiten von Jörg Arnecke war in dieser Hinsicht mehr Kompaktheit zugegen - und eine interessante "Klangverdrehung". Ausgehend von der Pointe, die Bläser an die Violinpulte zu setzen und die Violinen dort, wo ansonsten das Blech weilt, fesselt das Werk durch seine virtuose Art, romantisch-symphonische Gesten zu paraphrasieren. Der verspielte Umgang mit ehrwürdigen Orchestergesten (auch durch harmonische Eintrübungen) wirkte in sich sehr schlüssig.

Sich bildende Flächen

Der Clou des Abends war dann allerdings die Verschmelzung von Klangforum und RSO Wien in einem Stück: Georg Friedrich Haas' Concerto grosso Nr. 2 vermittelt das suggestive, sinnliche Potenzial von Haas' Klangwelt zunächst in Form einer sich ausbildenden Fläche, die sich über dem Ton C und dessen Obertönen etabliert und von tiefen instrumentalen Regionen zu höheren wandert. Es entsteht ein imposantes Gebilde, das doch auch voll der kleinen solistischen Bebungen wie Erhellungen ist.

Pochende rhythmische Momente, Beschleunigung und kollektive Glissandi sind Teil dieser Neubefragung einer ehrwürdigen Form der instrumentalen Musik, deren Ursprünge im Barock liegen und die der RSO-Chef Cornelius Meister umsichtig lenkt. Ein schönes Lebenszeichen des Festivals. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 14.10.2014)