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Lena Dunham als ihr Serien-Alter-Ego Hannah Horvath in der Serie "Girls".

Foto: AP/HBO, Mark Schafer

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Lena Dunham, "Not that Kind of Girl. Was ich im Leben so gelernt habe". Übersetzt von Sophie Zeitz und Tobias Schnettler. S.-Fischer-Verlag, 300 Seiten, Euro 19,90

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Lena Dunham ist gern nackt. Im eigentlichen und im übertragenen Sinn. Sie will damit nicht schockieren oder Aufmerksamkeit erregen. Vielmehr ist es so, dass sie ihre innersten Empfindungen, Begierden und Fantasien entblößen muss, egal wie peinlich sie vielleicht sind. Sie kann einfach nicht anders, als sich zu zeigen – dazu gehört auch ihr Körper, der nicht zu der Sorte Körper gehört, die exzessiv öffentlich zu Schau gestellt werden. Geheimnisse bescheren ihr großes Unbehagen, schreibt die Produzentin, Regisseurin und Autorin in ihrem kürzlich erschienen Buch "Not that Kind of Girl. Was ich im Leben so gelernt habe".

Das Buch erschien nur wenige Woche zuvor in den USA, und die Eile, mit der es übersetzt wurde, zeugt von dem langsam, aber stetig wachsenden Starstatus von Lena Dunham – auch in Europa. Dunham hat die TV-Serie "Girls" erfunden, in der sie auch die Hauptrolle spielt, das "Times Magazine" wählte sie für das Jahr 2012 zur "Coolest Person of the Year" und im Jahr darauf gar unter die 100 erfolgreichsten Menschen der Welt. Und nun also eine Autobiografie. Einer 28-Jährigen.

Autobiografie trifft auf "Not that Kind of Girl" nicht vollends zu. Vielmehr ist es eine Mischung aus Autobiografie, Ratgeber und feministischer Handlungs- und Denkanleitung. Und tatsächlich können die Leserinnen und Leser eine Menge lernen von dieser 28-Jährigen.

Kompetenzen werden abgesteckt

Sie sei zwar keine Mutter von drei Kindern oder die Besitzerin eines Strumpfhosenimperiums, stellt Dunham gleich zu Beginn Kompetenzen und Angebot klar: "Ich bin eine junge Frau mit dem ausgeprägten Interesse, zu bekommen, was mir zusteht, und was hier folgt, sind die hoffnungsvollen Nachrichten von der Front, an der ich dafür kämpfe."

Dunham untereilt diese Fronten im Buch in "Liebe & Sex", "Körper", "Freundschaft", "Arbeit" und schließt mit dem "großen Ganzen". Wie auch in ihrer gesamten künstlerischen Arbeit ist Dunhams Perspektive die einzige, die hier zählt. Eine der Zeichnungen, die sich im Buch finden, trifft es auf den Punkt. Sie zeigt eine Zertifikat von der "Zurück-zu-mir-selbst-Universität", darunter heißt es weiter: "Gemäß Vorschlag verleiht die Fakultät Lena Dunham den Abschluss in Selbststudien. Nebenfach: Alles über mich." Darunter ein Siegel der fiktiven Uni samt Unterschrift ihres Rektors.

Dunham steht zu ihrer Selbstbezogenheit, die in dem 300-seitigen Buch ihren vorläufigen Gipfel erreicht. Doch die Kombination aus ebendieser Selbstbezogenheit und der fehlenden Fähigkeit zur Selbstzensur macht daraus Ratgeberliteratur im bestmöglichen Sinne.

Lasst die Turnschuhe mal lieber an

Im Kapitel "Liebe und Sex" lässt sie uns an kruden sexuellen Erfahrungen teilhaben, die – wenn sie denn schon gemacht werden mussten – ansonsten gern fein säuberlich unter einem Teppich des Schweigens gekehrt werden, womit der Glaube verbreitet wird, man sei der oder die Einzige. Nicht mit Lena. Sie lässt uns gnadenlos teilhaben, denn: Vielleicht kann sie so jemanden "nur einmal vor der Art Sex bewahren, wo man die Turnschuhe lieber anlässt, um mittendrin wegrennen zu können".

Meistens ist das alles ziemlich lustig. Doch dann gibt es noch diese unheimlichen Stellen, an denen Dunham die Grenzen zwischen unangenehmen Erfahrungen und sexueller Gewalt entdeckt. Und wieder ist es die akribische Beschreibung ihres Seelenlebens, die weit mehr sagt als tausend Folder und Bücher über sexuelle Gewalt.

Scheitern mit Karacho

In dem Kapitel "Körper" zeigt Dunham, dass selbst eine streng feministisch erzogene Frau mit ihrem Körperfett früher oder später auf Kriegsfuß stehen kann. Dunham gibt nicht vor, darüberzustehen. Und ein paar erniedrigende Diätversuche später wissen wir, dass Perfektion im Feministischsein auch Stress verursachen kann und dass Scheitern mit Karacho sowohl beim Abnehmen als auch bei den politischen Ansprüchen okay ist.

Neben diesem entspannenden Effekt dient das Buch auch noch als Quiz für US-amerikanische Popkultur. Dunham, ganz Kind der 90er-Jahre, schmückt ihre Metaphern vorwiegend mit Figuren und Settings aus TV-Serien und Filmen. Ein früherer Lehrer sieht aus wie "Bob Saget aus 'Full House'", die TV-Sexszenen, die Dunham mit ihrer eigenen Serie Lügen strafen will, sind jene aus "Beverly Hills, 90210", und ihre Modevorlieben im College beschreibt sie mit dem Verweis auf Dr. Huxtables Pullover aus der "Bill Cosby Show".

LeserInnen in Lena Dunhams Alter können mit ihr in Erinnerungen an die nicht lange zurückliegende Kindheit schwelgen. Und die älteren LeserInnen? Die Feministinnen unter ihnen können sich freuen, dass es ihre Schultern sind, auf denen diese junge Künstlerin nun steht und Großartiges mit dieser neuen Perspektive auf die Welt anstellt. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 14.10.2010)