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Der Papst schüttelt die Hand eines Schweizer Gardisten, während er zur Morgensitzung der Familiensynode geht. Der offizielle Bericht des Treffens wird ihm am Samstag übergeben werden.

Foto: AP/Tarantino

Wenn sich die katholische Kirche mit Sexualethik beschäftigt, ist das Endziel vorprogrammiert: nicht die Quadratur des Kreises, sondern der kleinste gemeinsame Nenner. Durchaus kontrovers prallten bei der Familiensynode in Rom die Standpunkte der Bischöfe aus aller Welt aufeinander. Anschaulich beschreibt Anconas Erzbischof Edoardo Menichelli den brisanten Konfliktstoff: "Wenn wir bei den Ehevorbereitungskursen von Keuschheit sprechen, schauen uns diese armen Paare immer ganz erschrocken an. Keuschheit, wie denn? Sie verstehen ganz einfach das Wort nicht. Es ist zum Fremdwort geworden." Da sei "eine Prise Demut angebracht". Und vor allem müsse man zunächst "die verschiedenen und oft verwirrenden Formen von Ehe und Familie wahrnehmen, die es heute gibt".

Eine weltweite Umfrage des Vatikans unter dem Kirchenvolk hat die wachsende Kluft zwischen Lehre und Lebenswirklichkeit eindrücklich belegt. Besonders kontrovers scheint der Themenbereich der Homosexualität, die Joseph Ratzinger noch als "Anomalie" angeprangert hatte. Jetzt schlägt die Synode einen versöhnlichen Ton an: Schwule und Lesben könnten die Kirche bereichern. Fast eine ganze Seite widmete der Corriere della Sera einem Interview mit Kardinal Christoph Schönborn, der anerkennend über ein homosexuelles Paar in Wien berichtete, dessen gegenseitige Hilfe bei Krankheit "aufopfernd und christlich" gewesen sei. "Das sind Dinge, die Anerkennung verdienen."

Kritik an Zwischenbericht

Bei der Fülle gegensätzlicher Meinungen war es fast unvermeidlich, dass der Zwischenbericht des ungarischen Kardinals Peter Erdö in der Synode teils auf Kritik stieß. Seine "relatio" beziehe sich nicht genug auf die katholische Lehre zu Ehe und Familie, spreche zu wenig über die "Schönheit der lebenslangen Treue" und stelle unvollkommene Beziehungen zu sehr in den Vordergrund.

Erdö, als Relator der Synode Hauptverantwortlicher des Textes, wies die Kritik zurück. Es handle sich um einen Zwischenbericht, der mehr als 300 Redebeiträge zusammenfasse. Um den Endtext, der am Samstag dem Papst überreicht werden soll, wird - mit 700 Abänderungsanträgen - bis zur letzten Minute gefeilscht. Die von Medien georteten Machtkämpfe sehe er in der Synode nicht, so Erdö: "Verschiedene Standpunkte gibt es, warum nicht. Ohne sie gibt es keinen Dialog. Aber von Lagerbildung im politischen Sinn, wo um Macht gekämpft wird, sehe ich keine Spur."

Konservative Front

Die Front der Konservativen nimmt vor allem an den Paragrafen 50 bis 52 in dem Bericht Anstoß, die eine Öffnung gegenüber Homosexuellen befürworten. Angeführt wird sie von fünf Kardinälen, die wenige Tage vor der Synode ein Buch mit dem deutlichen Titel In der Wahrheit Christi verharren publiziert hatten. In Widerspruch zum Papst vertreten sie darin die Ansicht, dass die Kirche "einzig der Wahrheit Gottes verpflichtet sei". Der deutsche Präsident der Glaubenskongregation wendet sich vehement gegen jedes Zugeständnis an wiederverheiratete Geschiedene. Müller: "Die Unauflöslichkeit der Ehe ist von Jesus Christus verfügt." Auch hier wird es letztlich einen Kompromiss geben: Sie bleibt zwar unangetastet, über die praktischen Folgen im Alltag des Seelsorgers kann man reden. So lässt sich in strittigen Fragen Traditionalismus mit pragmatischen Lösungen verbinden.

Endgültige Entscheidungen werden in Rom ohnehin nicht getroffen. Die Synode ist nur als Vorbereitung gedacht für eine noch größere Versammlung im Herbst 2015. Doch auch dann wird sich die erzkonservative Minderheit vergeblich gegen den vom Papst vorgezeigten Weg stemmen. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 18.10.2014)