Vier Frauen, die ausgelassen zu Rihannas "Diamonds" tanzen: Céline Sciammas "Bande de filles" gibt sich der
Vitalität seiner Frauenfiguren (Karidja Touré, Assa Sylla, Lindsay Karamoh und Mariétou Touré) ganz ungebrochen hin.

Als Céline Sciamma im Mai in Cannes ihren neuen Film Bande de filles präsentierte, bot sich auf der Bühne des Théâtre Croisette ein denkwürdiger Anblick. Neben der Regisseurin standen die vier jungen Darstellerinnen Karidja Touré, Assa Sylla, Lindsay Karamoh und Mariétou Touré, alle trugen schwindelerregend hochhackige Schuhe und Kleider, die zu beschreiben ein einziges Wort zu lang wäre. Sciamma, weiß, blond und im Anzug, hielt das Mikrofon in der Hand und sagte: "Wir sind schwarz, und wir sind stolz, eine Mädchenbande zu sein."

Dieser Moment führt mitten in die Schönheit des Films hinein. Eine Schönheit, die darin liegt, dass junge Frauen aus der Banlieue, Figuren also, die im französischen Gegenwartskino skandalös wenig Beachtung finden, hier einen fulminanten Auftritt haben. Aber der Augenblick im Théâtre Croisette weist auch auf eine Ambivalenz in Sciammas Film hin. Die junge Regisseurin - Bande de filles ist nach Naissance des pieuvres und Tomboy ihre dritte Arbeit - begehrt die Anmut und die Coolness der Figuren, sie feiert und vereinnahmt sie und übersieht dabei eine entscheidende Differenz.

Die afrofranzösischen Jugendlichen, nach denen die Figuren des Films modelliert sind, machen Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung, Sciamma macht sie nicht, und deshalb ist es ein wenig anmaßend, wenn sie für sich selbst reklamiert, "schwarz" zu sein.

Erfahrungsraum Banlieue

Doch Bande de filles hat so viel Energie, so viel Schubkraft, dass sich skeptische Gedanken nicht verhärten. Im Mittelpunkt des Films steht die 16 Jahre alte Marième (Karidja Touré), die sich in der rauen Umgebung der Banlieue zu behaupten versucht. Am Anfang sieht man, wie sie sich auf dem Heimweg von der Schule befindet. Zusammen mit Freundinnen geht sie über die betonierten Freiflächen zwischen den Hochhäusern; vorbei an herumlungernden jungen Männern, nach und nach biegen ihre Begleiterinnen in Gänge und in Treppenhäuser ab, Marième hat von allen den weitesten Weg.

Die Kamerafrau Crystel Fournier zeichnet für die Cinemascope-Bilder verantwortlich; ein Format, das nicht ganz zu den vertikalen Linien der Hochhaussiedlung passt, doch sie versteht es, die Figuren in ihrer Umgebung zu verorten, eine Gabe, die sich auch im weiteren Verlauf des Films bemerkbar macht. Bande de filles vermittelt immer wieder ein Gefühl von der Kunstfertigkeit, einen Raum zu besetzen, obwohl er abweisend oder heruntergekommen aussieht oder einem anderen Zweck gewidmet ist. Höhepunkt ist in diesem Zusammenhang eine im Schatten von La Défense gefilmte Sequenz, in der eine große Gruppe von jungen Frauen ausgelassen tanzt.

Prügel und Lippenstift

Die meiste Zeit über folgt Bande de filles Marième und drei anderen jungen Frauen; gemeinsam haben die vier eine Menge Spaß an ihrer Schönheit, an der Musik (besonders an Rihannas Diamonds), an neuen Kleidern, tiefrotem Lippenstift oder auch daran, auf eine rivalisierende Jugendliche loszugehen und sie zu verprügeln.

Doch die Kraft der Mädchenbande hat Grenzen, gegen den großen Bruder und dessen Vorstellungen von Familienehre hilft sie nicht, und auch gegen abwesende Lebenschancen kann sie nichts ausrichten.

Sciamma legt den Plot etwas schematisch an, und je mehr Glamour sie den Körpern der Figuren verleiht, je häufiger die Kamera an dunkler Haut entlangstreicht, umso näher kommt sie dem Exotismus. Das ändert aber nichts daran, dass man sich der Anmut von Bande de filles schwer entziehen kann. (Cristina Nord, DER STANDARD, 23.10.2014)