Wien - Österreich hat mit der gesetzlichen Verankerung von Gender-Budgeting auf allen föderalen Ebenen 2013 einen Sonderstatus in Europa erreicht. "Auf rechtlicher Ebene sind wir so etwas wie Vorzeigeschüler. Aber bei der Umsetzung hapert es gewaltig", sagt Katharina Mader von der Wiener Wirtschaftuniversität (WU), Vortragende bei einer internationalen Konferenz zum Thema am Donnerstag an der WU.

Gender-Budgeting oder geschlechtergerechte Haushaltsführung bedeutet, dass Mittel zur Gleichstellung der Geschlechter nicht nur aus dem (gewöhnlich sehr geringen) Budget des Frauenministeriums kommen, sondern alle Ressorts bei ihren Maßnahmen auf dieses Anliegen achten. Wolle man etwa erreichen, dass Frauen arbeitsmarktfähig sind, müsse man sie von der unbezahlten Arbeit entlasten. Man könne die Pflegearbeit nicht wieder in die Familien zurückverschieben und müsse mehr in Altersheime oder Kindergärten investieren, nennt die Forscherin vom Institut für Institutionelle & Heterodoxe Ökonomie ein Beispiel.

Gleichstellung als Luxusproblem

"Wir sind in jedem Fall beim Rechtlichen Vorzeigeschüler. Aber wir haben 'Verfassungsleichen', und auch das könnte eine werden. Wir haben zahnlose Bestimmungen, die mangels politischem Willen nicht umgesetzt werden", warnt Mader vor einer Überbewertung von Formalia. Nachdem die Finanzkrise in einer Zeit ausgebrochen sei, als das Instrument anlaufen sollte, sei die Reaktion gewesen: "Gleichstellung ist ein Luxusproblem, und damit können wir uns gerade nicht auseinandersetzen." Eine ähnliche Haltung vermutet Mader auch in anderen Ländern Europas.

Ob Grundsätze des Gender-Budgeting auch in die Praxis umgesetzt werden, hängt von mehreren Schlüsselfaktoren ab. Gerade hier schneidet Österreich schlecht ab, sagt Mader mit Verweis auf eine von ihr durchgeführte Analyse unterschiedlicher Initiativen in Europa. Das Finanzministerium sehe es in Österreich nicht als seine Verantwortung, auf die Einhaltung von Gender-Budgeting zu achten, und es gebe auch keine Sanktionsmöglichkeiten, wenn die Grundsätze ignoriert werden. Für die konkrete Umsetzung von Gender-Budgeting gebe es kaum zusätzlichen Ressourcen.

Unterschiedliche Akteure

In der EU wurde zwar Anfang der 2000er-Jahre per Selbstverpflichtung die flächendeckende Einführung von Gender-Budgeting bis 2015 beschlossen, von einer Umsetzung dieses Ziels sei man aber noch weit entfernt, betont Mader. Generell ist in Europa die Umsetzung von Gender-Budgeting sehr unterschiedlich, wie Mader in ihrer Untersuchung verschiedener Initiativen zeigt, die sie bei der Tagung präsentieren wird. So gebe es Initiativen, die auf Ebene von Nationalstaaten oder "nur" Städten verankert sind.

Auch die Akteure seien höchst unterschiedlich: So seien manche in Regierung und Verwaltung festgeschrieben, andere ausschließlich von der Zivilgesellschaft getragen. "Hier ist England das Paradebeispiel, wo es schon seit Ende der 80er-Jahre eine Initiative gibt, die vom Parlament und Finanzministerium anerkannt ist. Die ganze Arbeit liegt aber bei der Zivilgesellschaft." In Österreich sei hingegen das Engagement für Gender-Budgeting von der Zivilgesellschaft ausgegangen, der Prozess aber mittlerweile in der Verwaltung angekommen.

Schlechte Datenlage

Auch das von der Finanzkrise schwer geschüttelte Island habe Initiativen gestartet. In anderen Ländern zeigt man hingegen deutlich weniger Engagement: In Deutschland setzen sich derzeit nur zwei Städte damit auseinander.

Eine Gemeinsamkeit aller untersuchter Initiativen ist indes die schlechte Datenlage: "Da braucht es noch umfangreiche Studien", betont Mader. Vor allem Zeiterhebungen - also wie viel Zeit für unbezahlte Arbeit aufgewendet wird - fehlen. Es sei eine Frage der Prioritätensetzung, ob man Geld für das Aufstellen gleichstellungsrelevanter Daten investiere.

So könne mangels Daten und Erfahrung noch nicht gesagt werden, wie verlässlich Konzepte und Methoden von Gender-Budgeting sind. Die meisten Initiativen gebe es einfach noch nicht lange genug für Evaluierungen, so Mader. In den Initiativen allerdings, die schon länger bestehen, habe man gesehen, dass es tatsächlich Änderungen bei Budget und Budgetpolitik für mehr Geschlechtergleichstellung gegeben habe. "Aber noch kein Land hat mit Gender-Budgeting eine komplett egalitäre Gesellschaft geschaffen, das wird auch mit einem Instrument alleine nicht möglich sein." (APA/red, 6.11.2014)