Der Wiener Oliver N. tauchte in einem Propagandavideo auf.

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Ihre Kleidung verändert sich genauso wie ihr Essverhalten. Meist sind die Merkmale offensichtlich, wenn sich Jugendliche Strömungen wie der IS anschließen. "Das Wichtigste ist, den Alltag trotzdem gemeinsam mit den Jugendlichen zu bewältigen", sagt Ercan Nik Nafs von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien. "Es ist keine Zauberei: Die Jugendlichen wollen ernst genommen werden, sie wollen von den Eltern gehört werden."

Nicht nur Eltern, auch Lehrer und Jugendliche, die Veränderungen bei Freunden bemerken, wenden sich in den letzten Wochen verstärkt an das Netzwerk für Deradikalisierung. Die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft dient als Koordinationsstelle.

"Jugendliche sind generell auf der Suche", sagt Nik Nafs. In Schulungen versucht das Netzwerk nun, Jugendarbeitern, Lehrern, aber auch Mitarbeitern des Arbeitsmarktservice mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Auch bei Oliver N. waren den Lehrern Veränderungen aufgefallen. Er trug plötzlich eine Kopfbedeckung und versuchte seine Mitschüler für die IS zu begeistern (DER STANDARD berichtete). Freunde entdeckten ihn in einem Propagandavideo. Der Radiosender FM4 konnte über soziale Medien Kontakt mit dem 16-Jährigen aufnehmen. "Zum Frühstück gibt es Nutella. Normales Waschmittel, Deo und Duschgel sind im Supermarkt zu beziehen", schildert Oliver seinen Alltag in Syrien.

96 Ermittlungsverfahren

Laut aktueller Anfragebeantwortung von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wurden mit Stichtag 10. Oktober bisher gegen 96 Personen, die im Verdacht stehen, sich einer in Syrien kämpfenden Gruppierung angeschlossen zu haben, Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Das Innenministerium hat im Kampf gegen den Terror Gesetze verabschiedet, die Verschärfungen bringen und Jugendliche von der IS abbringen sollen. Neben verschärften Grenzkontrollen wurde auch das "Tragen", "zur Schau stellen" und "Verwenden" von IS-Symbolen unter Strafe gestellt. Welche Symbole konkret betroffen sind, wird derzeit noch erarbeitet.

Nik Nafs hält letztere Maßnahme jedoch für eine kosmetische: "Das Verbot wird nicht viel ändern." Vielmehr gehe es darum, das Bewusstsein der Jugendlichen zu schärfen und ihnen klarzumachen, welche Auswirkungen es haben kann, wenn sie sich einer Terrormiliz anschließen. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 18.11.2014)