Bregenz – Frauen müssen in Vorarlberg durchschnittlich mit 14.500 Euro brutto im Jahr auskommen. Branchenabhängig beträgt ihr Einkommensnachteil gegenüber Männern zwischen 48 und 63 Prozent. Frauenpensionen belaufen sich durchschnittlich auf 11.712 Euro pro Jahr, männliche Pensionisten bekommen das Doppelte.

Nirgends in Österreich sei die Einkommensschere größer als im "Entwicklungsbundesland, das unser Landeshauptmann so gerne als Topregion darstellt", sagte SPÖ-Frauensprecherin Gabi Sprickler-Falschlunger am Mittwoch. Auf Antrag der SPÖ beschäftigte sich der Landtag in seiner Aktuellen Stunde mit der Einkommensschere in der europäischen Topregion.

Risiko Teilzeit, Risiko Ehe

Sprickler-Falschlunger und Frauenlandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) waren sich einig: Die Ursache für die niedrigen Fraueneinkommen liegt im hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigen. Nur 28 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen arbeiten Vollzeit. Ein Großteil der Teilzeitbeschäftigten arbeitet weniger als 20 Wochenstunden. Diesen Frauen müsse endlich in einer breiten Informationskampagne vermittelt werden, dass Teilzeitarbeit nicht existenzsichernd sei, forderte Sprickler-Falschlunger.

Die Ursache für den Hang zum Zuerwerb sieht die SP-Frauensprecherin im Frauen- und Familienbild der Volkspartei: "Es muss den jungen Frauen deutlich gesagt werden, dass die Ehe keine Existenzsicherung mehr ist. Auch tiefkatholische Männer verlassen mittlerweile ihre Frauen." Wer der Familie zuliebe langfristig nur Teilzeit arbeite, erlebe im Alter böse Überraschungen. Teilzeitbeschäftigung, wie in Vorarlberg vorherrschend, führe zur Armutsgefährung. Sprickler-Falschlunger: "Viele Frauen wollen über das neue Pensionskonto gar nicht reden. Sie schämen sich zu sagen, wie niedrig ihre Pension sein wird."

Regionaler Aktionsplan

Sprickler-Falschlunger fordert einen Kinderbetreuungsatlas, der Betreuungsangebote und -kosten transparent macht, eine Senkung der Betreuungskosten und eine Aufklärungskampagne zu existenzsichernden Formen der Erwerbsarbeit. Nicht ganz Vorarlberg sei eine Frauennotwohnung, konterte Landeshauptmann Markus Wallner (VP). Die Möglichkeiten zu Teilzeitarbeit seien über die Jahre von der Opposition gefordert worden, argumentiert er und sieht zuversichtlich in die Zukunft: "Die jungen Frauen wissen ganz genau, was sie brauchen. Wir müssen ihnen keine Rollenbilder vorgeben."

Die grüne Landesrätin Wiesflecker kündigte einen regionale Aktionsplan zur Verbesserung der Einkommenssituation an. Beginnen möchte sie bei den 11.400 geringfügig Beschäftigten. Ein erster Schritt sei, die Beschäftigten der Mobilen Hilfsdienste "aus der Geringfügigkeit in Beschäftigungsverhältnisse zu holen". Für die 51 örtlichen Hilfsdienste arbeiten rund 2.000 Frauen, 90 Prozent davon geringfügig.

Modell 80/80

Während die FPÖ für Elterngeld und unterschiedliche Lebensmodelle plädierte, verwies Grünen-Gleichstellungssprecher Daniel Zadra auf geänderte Rollenbilder. Junge Väter würden gerne mehr Zeit für ihre Kinder haben und sich mit ihren Partnerinnen die Familienarbeit teilen wollen. Dazu bedürfe es aber geänderter Rahmenbedingungen.

Die Grünen propagieren das Modell 80/80. Beide Elternteile arbeiten 80 Prozent, "nicht einer Vollzeit und eine nur Teilzeit". Dadurch stiegen die Karrierechancen der Frauen, die Absicherung in der Pension sei besser.

Die geforderten Rahmenbedingungen: kostengünstige Kinderbetreuung ab sechs Monaten, verschränkte Ganztagsschulen und finanzielle Anreize für Arbeitgeber. Man wolle in dieser Legislaturperiode durchstarten, versprach Zadra.

Streitsache Kinderbetreuung

In der folgenden Debatte über die Verbesserung der Kinderbetreuungsangebote zeigten sich für die Grünen die Mühen des Alltags. Der Regierungspartner VP will das Angebot weiter bedarfsorient gestalten. In der Regel stellen die Gemeindechefs dann fest, ob es Bedarf gibt oder nicht.

Grünen-Landesrätin Wiesflecker will angebotsorientiert arbeiten: "Wo man ein Angebot schafft, wird es angenommen." Die Opposition ortete "grundsätzlich unterschiedliche Ansätze" in der Regierungskoalition. Bei der Klärung wolle man aber nicht behilflich sein, ätzte Sprickler-Falschlunger in Richtung Grüne: "Wir sind weder euer Coach noch eure Therapeuten." (Jutta Berger, derStandard.at, 19.11.2014)