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Rechtsextreme und Jihadisten teilen sich offenbar einen Internetdienst

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Das Propagandamagazin "Dabiq" rief dazu auf, den Internetservice einer deutschen Neonazi-Gruppe zu nutzen

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Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) nutzt für ihre Kommunikation offenbar ausgerechnet einen Internetdienst deutscher Neonazis. Das haben Recherchen des ARD-Politikmagazins "Panorama" ergeben. Demnach ist das "Medienzentrum" der Dschihadisten auch über einen E-Mail-Service erreichbar, den Rechtsextremisten zur sicheren Informationsübermittlung gegründet haben.

Spurensuche

Im IS-Propagandablatt "Dabiq" wird zur Kontaktaufnahme mit dem "Al-Hayat-Mediacenter" der Terrormiliz eine E-Mail-Adresse genannt, die über den Dienstleister "0x300" betrieben wird. Hinter dem Service "0x300" stehen Neonazis aus dem Ruhrgebiet. Neben den Islamisten nutzen offenbar vor allem Rechtsextremisten den Internetdienst. Zahlreiche Kameradschaften und Neonazi-Gruppen sind über E-Mail-Adressen des Anbieters erreichbar - so etwa der "Nationale Widerstand Duisburg", die "Autonomen Nationalisten Göppingen", die "Kameradschaft Schwerin" und die "Nationalen Sozialisten Nordharz".

"Empfehlung"

Rechtsextremisten empfehlen "0x300" als besonders sicheren und für deutsche Behörden nicht zugänglichen "Postfachanbieter". Die IP-Adresse werde nicht gespeichert, der Server stehe in den USA. Auf einer Seite, die "Nationalisten" Tipps zur Datensicherheit gibt, heißt es dazu: "Der Serverstandort wurde der Zielgruppe entsprechend gewählt" - will heißen: Da in den Vereinigten Staaten vieles, was in Deutschland als Volksverhetzung strafbar ist, unter Meinungsfreiheit fällt, haben die Betreiber den Standort in die USA gelegt.

Handelnde Personen

Dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse vor, dass Rechtsextremisten "0x300" zur verschlüsselten Kommunikation untereinander nutzen. Auch weitere Internetangebote sollen dem Zweck dienen, eine eigene Internet-Infrastruktur innerhalb der Neonazi-Szene aufzubauen.

Als Schlüsselfigur dieses rechtsextremen Internet-Netzwerks gilt der 29-jährige Dortmunder Dennis Giemsch. Er war Anführer des 2012 verbotenen "Nationalen Widerstands Dortmund", ist nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der Neonazi-Partei "Die Rechte" und sitzt seit Juli im Dortmunder Rat, als Nachrücker für Siegfried "SS-Siggi" Borchardt.

Betrieb

Nach Aussage eines Aussteigers aus der rechten Szene bekannte sich Informatikstudent Giemsch im Kameradenkreis offen dazu, "0x300" zu betreiben. Das bestätigen auch mehrere Beobachter der Szene. Anfragen von "Panorama" zu dem Internetdienst ließ er unbeantwortet. Erst vergangene Woche hatte Giemsch für Empörung gesorgt, weil er im Stadtrat eine Anfrage nach der Zahl der Bürger jüdischen Glaubens in Dortmund gestellt hatte.

Hooligan-Aufmärsche

"Die Rechte" beteiligte sich auch an den "Hooligans gegen Salafisten"-Aufmärschen. Im September tönten die Rechtsextremisten: Sollte sich in Dortmund eine "Scharia-Polizei" nach Wuppertaler Vorbild bilden, stünde bereits der "Stadtschutz der Partei Die Rechte bereit". Die IS-Miliz bezeichnet die Partei als "vom Westen aufgebaute und durch den israelischen Geheimdienst Mossad mitgegründete Islamistenterrorgruppe".

Warum die IS ausgerechnet diesen E-Mail-Service nutzt, ist offen. Vom nordrhein-westfälischen Innenministerium heißt es, dass Verbindungen zwischen Islamisten und Rechtsextremisten nicht bekannt seien. (red, derStandard.at.at, 20.11.2014)