Geometrische Strenge, die sich in einer Textil anmutenden Oberfläche auflöst: "Zakk Wylde IV" von John M Armleder.

Foto: Stefan Altenburger

John M Armleder, 1948 in Genf geboren, zählt zu den einflussreichsten Künstlern der Gegenwart. Aus der Fluxus-Bewegung kommend, setzte er sich ab den späten 1970er-Jahren mit der wiederentdeckten Abstraktion der New Geometry, dem Minimalismus und den Schüttbildern des Amerikaners Larry Koons auseinander. Armleder erweiterte sein Repertoire auf raumgreifende Environments, in die er immer wieder Alltagsgegenstände, LEDs bis hin zu ausgestopften Tieren verwob. Kunsthistorische Zitate und die Grenzen des Kunstbegriffs lotet er aber nicht nur als Maler, Performer und Bildhauer, sondern auch als Kurator (2004 im Swiss Institute New York, 2011 im Pariser Palais de Tokyo).

Scramble (Gerührtes, Gedrängel) heißt die aktuelle Ausstellung in der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, die seit langem mit dem vielschichtigen Künstler zusammenarbeitet. Die Schau greift Armleders Praxis der Kombination von Gebrauchsgegenständen und Kunst auf. Die sogenannten "Furniture Sculptures" machten ihn in den späten 1970er-Jahren international bekannt und hinterfragen in der Tradition der Readymades die Kunstwürdigkeit von Alltagsobjekten. Ironisch und doch radikal die 1991 für das Grazer Joanneum geschaffene Arbeit: Er verschob eine Besucherbank leicht und versah sie mit einer Objektbeschriftung. Nach der Vernissage rückten sie die Reinigungskräfte wieder zurück an die vermeintlich "richtige" Position. Auf Wunsch des Künstlers blieb sie so: Die Interaktion wurde zum eigentlichen Werk.

Poppige Atmosphäre

Bei Thoman ist etwa Zakk Wylde IV (2011) zu sehen: In einem Wechselspiel aus High und Low wird die Originalgitarre des Ozzy-Osbourne-Gitarristen mit geometrisch-dynamischen Farbstrahlen kombiniert. Eine Strenge, die aber bei näherer Betrachtung durch eine textil anmutende Oberfläche gebrochen wird. Die Ausstellung vereint frühere Neon-Lichtarbeiten Armleders mit dem 723 Zentimeter langen Spiegelobjekt Ariana (2011). Die Objekte tauchen den Raum in eine poppige Atmosphäre, die von hoher Präzision geprägt ist. In den spiegelnden Oberflächen reflektieren sich aber auch die Bäume aus dem Innenhof. So kommt über ein Hintertürchen die Natur ins Spiel - ein wichtiges aber nicht offensichtliches Thema in Armleders Werk.

Natur spielt auch bei den großformatigen Malereien von 2012 eine Rolle: Lagrev, Laviner, Grevasalvas, Marsch, Cavloc und Longhin heißen diese nach Seen im Engadin benannten Bilder. Sie zählen zu Armleders "Puddle Paintings" und entstehen in einem Spiel aus Zufall und Kontrolle: verschiedene Materialien wie Lacke, Glitzer, Farben, Spielzeug oder Dekorationsartikel werden auf die auf dem Boden liegende Leinwand gekippt. Nach dem Aufrichten der Leinwand beginnen die noch nicht festen Stoffe zu rinnen und lassen so glitzernde, eruptive Oberflächen entstehen. Kitschig, überladen in jeder Hinsicht, aber wie anders ließen sich auch Schweizer Bergseen darstellen? (Robert Gander, DER STANDARD, 22.11.2014)