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Aktives Handeln ist gefragt.

Foto: dapd / Ronald Zak

Eine Streitschrift von Saskia Jungnikl (Streitschrift zum Feminismus: Was denn nun?, DER STANDARD, 22. November) griff vor kurzem das Thema Feminismus auf. Dieser habe sich geändert, so die Redakteurin. Das Bild der Frau, welche die Welt des Mannes erobert, sei passé. Es gehe nun um andere Grundrechte, etwa das, "ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten zu können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen".

Zudem: Während die Erwerbstätigenquote der Frauen in den letzten Jahren gestiegen sei, sei jene der Männer gesunken. "Das sind Fakten, keine Umfragen", schreibt Jungnikl. Was sage es schon aus, dass sich mehr als 50 Prozent der Frauen zwischen 14 und 24 vorstellen könnten, der Familie zuliebe auf eine Karriere zu verzichten?

Sehr viel, leider sehr viel. Der Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit führt nicht nur zu mehr Zeit für die Familie, was begrüßenswert ist, sondern zu einer finanziellen Abhängigkeit – gegenwärtig und vor allem im Alter. Altersarmut ist ein Frauenproblem, wenn auch natürlich nicht ausschließlich.

Zahlen anders lesen und Meinungen durchsetzen

Auch wenn Jungnikl anführt, dass die Erwerbstätigenquote der Frauen in Österreich mit 53 Prozent im Steigen begriffen ist, während jene der Männer sinkt, liegt die weibliche Quote immer noch mehr als zehn Prozentpunkte unter jener der Männer. In Betracht zu ziehen ist dabei vor allem auch, dass eine Erwerbstätigkeit noch keine Sicherheit gibt. Laut Statistik Austria lag 2013 die Teilzeitquote der Erwerbstätigen in Österreich bei Männern bei zehn Prozent, jene der Frauen bei 45,5 Prozent.

Auch dies sind Fakten. Und sie gehören erwähnt, wenn Sätze fallen wie: "Generationen von Frauen haben sich in harten Kämpfen den Weg in die Büros, die Leitungsebene von Unternehmen und die Politik geebnet. Damit wurden die Meinungen von Frauen wie selbstverständlich sichtbar gemacht."

Leider reicht es längst nicht, Meinungen sichtbar zu machen, um sie durchzusetzen. Wenn die Autorin der Streitschrift Diskriminierung, präpotentes Belächeln, das Absprechen von Fähigkeiten, eherne Männerrunden, Gehaltsunterschiede und ungleiche Aufstiegschancen anprangert, dann hat sie recht. Die Frage ist, wie Frauen unter diesen Umständen ihr Leben "selbstbestimmt und nach eigenen Vorstellungen" leben sollen. Dazu braucht es Feminismus – den radikalen, undiplomatischen, provokanten und sehr, sehr unbequemen, dazu braucht es Frauensolidarität.

Selbstbestimmt – aber wie?

Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit, wie sie Saskia Jungnikl fordert, stellen sich nicht ein, indem frau auf Erwerbstätigkeit verzichtet. Um es mit den Worten der italienischen Partisanin und Feministin Lidia Menapace auszudrücken, die in der Anthologie "Mütter und Töchter. Licht und Schatten" ihre eigene Mutter zitiert:

"Mädchen, seid unabhängig, und dann macht, was ihr wollt. Nehmt euch einen Mann, oder nehmt euch keinen, haltet ihn euch, oder lasst ihn sitzen: Seid euch aber im Klaren darüber, wie wichtig es ist, dass ihr ihn nie um Geld für eure Strümpfe bitten müsst – denn man kann nicht im Kopf unabhängig sein, wenn man in den Füßen von ihm abhängig ist."

Nein, ich fordere von niemandem, 50 oder 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Ich fordere das Gegenteil. Der Punkt ist nicht der, dass die Karriere unter der Familie leidet oder umgekehrt. Der Punkt ist der, dass dieser Interessenkonflikt immer noch von Frauen ausgetragen wird – auf Kosten ihrer Unabhängigkeit, auch finanzieller Natur.

Es gibt nicht nur einen Feminismus

Es gibt einen Punkt, in dem ich mit Frau Jungnikl d'accord gehe: Es gibt nicht einen Feminismus. Daher halte ich es für inkonsequent, wenn die Autorin in der "Wir-Form" von "uns Frauen" schreibt. Was es aber gibt, ist eine gemeinsame Grundeinstellung. Auf drei kurze Punkte reduziert: FeministInnen sind sich darin einig, dass Frauen und Männern dieselben Rechte und Pflichten zustehen. Sie sind sich darin einig, dass dieser ideale Zustand nicht erreicht ist. Und zu guter Letzt sind sie noch der Ansicht, dass sich dieser Zustand von selbst nicht einstellen wird, sondern dass aktives Handeln gefragt ist. (Marita Gasteiger, derStandard.at, 26.11.2014)