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Näherinnen und ihre Angehörigen demonstrierten am Montag in Bangladesch für ihre Rechte.

Foto: AP/A.M. Ahad

Das Feuer brach um 18.30 Uhr aus. Die Notausgänge waren blockiert. Einige Näherinnen sprangen aus Verzweiflung aus dem neunstöckigen Gebäude. Später heißt es, dass die meisten Menschen die Fabrik schon verlassen hätten. Doch 600 Näherinnen, vor allem Frauen, arbeiteten noch. Der Brand am Abend des 24. November vor zwei Jahren in der Tazreen Fabrik in Bangladesch kostete 125 von ihnen das Leben. Weitere 150 Menschen wurden verletzt.

Auch nach dem Zusammensturz des Rana Plaza, bei dem mehr als tausend Menschen starben, sind große Unternehmen und vor allem Luxusmarken mehr denn je auf ein sauberes Image bedacht. Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende von Femnet, hat sich in ihrem Buch "Todschick. Edle Labels, billige Mode" auf Spurensuche begeben, um die Frage zu beantworten: Zahlen Konsumenten mit einem höheren Preis auch bessere Arbeitsbedingungen?

Die Tazreen-Fabrik gehörte zu einer Gruppe von 13 Fabriken und 7000 Beschäftigten, die unter dem gemeinsamen Namen Tuba Group firmieren, informiert Burckhardt. Das Unternehmen verfügt über eine Produktionskapazität von 300.000 Bekleidungsstücken pro Tag. Zu den Kunden zählen laut Burckhardt etwa Walmart, Disney, C&A oder KiK. Nach dem Brand wiesen viele Unternehmen die Verantwortung damit von sich, dass die Aufträge ohne ihr Wissen über Unterhändler an Tazreen vergeben worden seien.

Es gab zwar laut Burckhardts Recherchen Fabrikskontrollen vor dem Unglück, bei denen auch gravierende Mängel entdeckt wurden. Dazu gehörten blockierte Ausgänge und Treppen. Dennoch passierte nichts. Die Aufträge flossen weiter.

Inhaftierter Besitzer hielt Löhne zurück

Die Tuba Group gehört Delwar Hossain. Er habe sich wegen Fahrlässigkeit schuldig gemacht, meinen die Ankläger. Hossain wurde zwar wegen Totschlags angeklagt, aber ist bereits mehrmals auf Kaution wieder freigekommen. Arbeiter berichteten erst im August, dass ihnen seit drei Monaten kein Lohn ausgezahlt wurde, um Druck auf die Justiz auszuüben, den Fabrikbesitzer gehen zu lassen. Sie traten daraufhin in Hungerstreik. Tatsächlich begann der Verband der Textilhersteller und -exporteure Bangladeschs wenige Stunden nach dessen Freilassung damit, einige ausstehende Löhne zu zahlen.

Teure Designerware, billige produziert

Die Verbände der Textilproduzenten behaupten gerne, dass ihre Mitglieder im Gegensatz zu den Billigmarken sauber produzieren ließen, sagt Gisela Burckhardt. Das veranlasste sie dazu, diese Aussage am Beispiel Bangladesch näher zu untersuchen.

Exemplarisch hebt sie die Edelmarke Hugo Boss hervor. Im Zuge der Recherchen zu ihrem Buch kam Burckhardt zu einem Fabrikkomplex in Chittagong, die zweitgrößte Stadt des Landes nach der Hauptstadt Dhaka. Dort lässt ihren Angaben nach das deutsche Luxuslabel produzieren.

Die Labels lassen sich nur ungern auf die Finger schauen, die Suche, wo sie ihre Produkte herstellen, beschreibt Burckhardt als "mühsam". 115 Arbeiterinnen aus zwölf Fabriken wurden in rund zweistündigen Interviews befragt. Am Ende des Buches bietet Burckhardt einen tabellarischen Überblick über "Fabrik 2", in der etwa Hugo Boss, Esprit, H&M oder C&A herstellen lassen. Im äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes, in dem 3.000 Menschen arbeiten, waren demnach Risse zu erkennen. 80 Prozent der Beschäftigten sind Frauen.

Zwar gab es keine Hinweise auf Kinderarbeit, aber auch keine schriftlichen Arbeitsverträge. Die Arbeitszeit beträgt zehn bis 15 Stunde. Es müssen häufig Überstunden geleistet werden, die nicht korrekt abgerechnet werden. Zudem gibt es keinen Gehaltsnachweis. Es gibt keine Gewerkschaft. Die Dauer des bezahlten Mutterschutzes wird mit null bis zwei Monate angegeben.

Burckhardt hebt die Kontraste hervor: Sie berichtet, dass im "Brand-Feel-Ranking" von 2014, in dem das beste Markenbild untersucht wird, Hugo Boss überzeugen konnte. Modeliebhaber würden dem Unternehmen vertrauen und es als traditionsreiche Marke empfinden, die qualitativ hochwertiger und besser als andere Labels ist. (Julia Schilly, derStandard.at, 24.11.2014)