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Fotograf Lewis Baltz 2012 im Kunstmuseum Bonn.

Foto: APA/EPA/Jochen Lübke

Besprechung der Ausstellung "Lewis Baltz", 2013 in der Albertina

(Foto: San Francisco, 1972)

Foto: Lewis Baltz/Albertina 2013

In der Vorwoche erschien im Verlag der Buchhandlung Walther König (Köln 2015) die Publikation Lewis Baltz in der Albertina, die insbesondere ein ausführliches Interview von Walter Moser, Leiter der Fotosammlung, schmückt.

Weitere Beiträge von Hilla Becher, Susanne Figner, Stefan Gronert, Jeff Rian & Matthew S. Wittkovsky.

(Foto: aus der Serie The New Industrial Parks Near Irvine, California, 1974)

Foto: Lewis Baltz/Albertina 2013

Wien - Ausgerechnet Lewis Baltz sagte einmal, er hätte sich gar nicht so sehr als Fotograf gesehen, das Medium gar nicht über die Maßen gemocht. Vielmehr war die Fotografie, als er in den USA der Sechzigerjahre zu fotografieren begann, einfach das simpelste, direkteste und unprätentiöseste Instrument, um Wirklichkeit aufzuzeichnen: eine Bilderschrift.

Diese Nüchternheit gegenüber seinem Werkzeug findet sich auch in seinem von ihm als "stumm und distanziert" beschriebenen Blick wieder. In reinster Form spiegelt sich dies in seiner bis heute populärsten Serie The Prototype Works (1967-76), aber auch in Tract Houses (1969/71): Baltz nahm darin das in den Fokus, was nicht nur alltäglich, sondern sogar so gewöhnlich war, dass man nicht darüber sprach: Das sogenannte "Unsichtbare" - Risse im Mauerputz, Lüftungsschächte, erbärmlich wirkende Fassaden in der urbanen Peripherie - tastete er in geradezu brutaler Frontalität ab; manchmal so nah an blinde Fenster und Gebäudekanten herangerückt, dass abstrakte Qualitäten, ja minimalistische Kompositionen entstanden.

Dieser Aufnahmen wegen zählte man Baltz zur neuen Generation von US-Landschaftsfotografen ("New Topography"). 1971 war er einer der ersten Fotografen, den der legendäre New Yorker Galerist Leo Castelli ausstellte. Diese Einordnung lenkt jedoch von dem ab, was Baltz wirklich antrieb.

Geboren 1945 in Newport, Kalifornien, einer der schnellstwachsenden urbanen Regionen, interessierte er sich für Architektur, arbeitete am Bau, bevor ihn die Flucht vor Militär und Vietnamkrieg doch noch zum Kunstgeschichtsstudium bewog. Ihn interessierte nicht das visuelle Phänomen, sondern der Effekt dieser Urbanisierung. "Welche Art von Menschen würde diese bedingen?", fragte er sich, dem Fortschritt misstrauend. Den zwar sozialkritischen, aber neutral konzeptionellen Zugang beschrieb er als den eines "Anthropologen eines anderen Sonnensystems".

1989, wenige Jahre nachdem er den Lebensmittelpunkt nach Paris verlegt hatte, wandelt sich sein Werk stark. In großformatigen Bildcollagen, die auch Found Footage integrierten, nahm er Bezug zur Technologisierung der Welt und der diesbezüglichen Ohnmacht der Menschen, seine kritische Haltung kam stärker zum Tragen. Auch die Lehre stand nun stärker im Vordergrund. Nach einer Ausstellung 1995 in Winterthur war die Schau in Bonn 2012 die erste große Retrospektive zu seinem Schaffen im deutschsprachigen Raum. 2013 setzte Walter Moser, Leiter der Fotosammlung der Albertina, Baltz in den Kontext von Robert Smithson, Donald Judd u. a. "Baltz verstand wie kein anderer, Ästhetik und Intellektualität zu verbinden", sagt er nun; in der Vorwoche erschien die letzte, gemeinsame Publikation Lewis Baltz in der Albertina (Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln). Wie seine Lebensgefährtin der Albertina mitteilte, starb Lewis Baltz am Samstag nach schwerer Krankheit in Paris. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 25.11.2014)