Coverentwurf "Kleine Geschichte des Feminismus"

Foto: Patu / Antje Schrupp

In diesem Jahr hat mich ein Projekt beschäftigt, das jetzt kurz vor der Vollendung steht: Zusammen mit der Zeichnerin Patu habe ich einen Comic zur Geschichte des Feminismus im euro-amerikanischen Kontext gemacht.

Von Adam und Eva bis fast heute auf 88 Seiten dieses Thema abzuhandeln (und das auch noch mit lauter Bildern dazwischen, hehe), ist natürlich ein bisschen wahnsinnig. Aber es hat ungeheuren Spaß gemacht.

Ich freue mich darauf, wenn das Buch erscheint, was wahrscheinlich im Frühjahr ist.

Beim Auswählen dessen, was in der reichhaltigen Geschichte des Feminismus wichtig und unwichtig ist, was in so einem Buch erwähnt werden soll und was nicht, war mir ständig präsent, dass das, was ich da mache, letztlich frustrierend ist, weil das allermeiste nicht vorkommt. Das was wichtig ist, ist nicht unbedingt dasselbe wie das, was bekannt ist (und daher in so einem Buch erwartet wird). Natürlich habe ich versucht, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden, aber die Auswahl ist mindestens so subjektiv wie objektiv, und jede andere hätte da wahrscheinlich andere Entscheidungen getroffen.

Das Problem, dass komplexe historische Entwicklungen immer verflacht und verfälscht werden, wenn sie auf eine bestimmte Menge Platz kondensiert werden, ist unlösbar. Umso wichtiger ist, sich das klarzumachen, wenn man so ein Projekt in Angriff nimmt – oder eben dann später auch das Buch liest.

Frauen werden in der Geschichtsschreibung ignoriert

In der männlichen, sich selbst für universal haltenden Geschichtsschreibung wird das normalerweise nicht reflektiert. Normalerweise fehlen da zum Beispiel die Frauen, und es wird so getan, als wäre das ganz normal und logisch. In dem fünfbändigen "Handbuch der politischen Ideen" zum Beispiel, mit dem ich vor dreißig Jahren Politologie studierte, waren gerade mal zwei Prozent der referenzierten Namen weiblich. Frauen haben offensichtlich nach Ansicht der Herausgeber keine politischen Ideen. Und es fehlen in diesen Geschichtsbüchern natürlich auch noch viele andere "andere", zum Beispiel Schwarze oder proletarische Kulturproduktion.

Leider geht das "Herausignorieren" von Frauen, und gar Feministinnen, aus der männlichen Erinnerungskultur auch heute, trotz Emanzipation und Gleichstellungsgedöns, fröhlich weiter. Jutta Pivecka hat das kürzlich am Beispiel der Feiern zum 25-jährigen Mauerfall gezeigt. Anne Roth hat bei Twitter auf ein Buch hingewiesen, wo auf 700 Seiten die Geschichte der sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1989 erzählt wird, der Feminismus kommt darin laut Inhaltsverzeichnis nicht vor (Das Buch ist auch im Unrast-Verlag erschienen, genau wie unser Comic). Da ich das Buch nicht gelesen habe, besteht natürlich die Möglichkeit, dass der Feminismus dort als Querschnittsthema in allen anderen Kapiteln ausführlich behandelt wird. Hinweise dieser Art bitte in die Kommentare. In einem anderen Projekt soll die Frage, welche am 1. Januar 2015 gemeinfrei werdenden Bücher als E-Book verfügbar gemacht werden (und welche nicht), anhand eines Algorithmus beantwortet werden, der seine Relevanzkriterien ausgerechnet aus Wikipedia bezieht. Die extrem männliche Schlagseite des Internetlexikons wird sich auf diese Weise also direkt in eine männliche Schlagseite des gratis E-Book-Bestandes fortpflanzen.

Auslassung als Norm

Was an diesen Beispielen auch deutlich wird: Es steckt nicht bewusster Antifeminismus dahinter, wenn Frauen und vor allem Feministinnen, aus der Erinnerung "herausgeschrieben" werden. Sondern das geschieht aufgrund der gegebenen Parameter unserer Kultur quasi wie nebenbei, fast wie zwangsläufig. Ohne böse Absicht. (Deshalb reagieren manche Männer oft so – ehm – aufgeregt, wenn man das kritisiert).

Also, keine böse Absicht (jedenfalls größtenteils), sondern es ist eher so: Das weiß-bürgerlich-männliche Bewusstsein scheint Frauen – und andere "andere" – einfach zu "vergessen", wenn es sich an Vergangenes erinnert. Es hat Algorithmen und Verfahrensweisen etabliert, in denen dieses Vergessen als ganz natürlicher, logischer und unausweichlicher Vorgang erscheint, gegen den man nur unter Verrat an der objektiven universalen Objektivität etwas unternehmen kann. (Auf Twitter schrieb mir jemand: Jedes andere Verfahren, Bücher zum E-Bookisierien, auszuwählen, wäre noch schlechter, weil eben noch weniger objektiv).

Früher dachten wir, die Krux liege darin, dass die von Männern gemachte Geschichtsschreibung zu sehr auf institutionelle Faktoren abzielt – Ämter, Positionen, Rankings, Ehrungen und so weiter – weshalb Frauen (und andere dort ehemals Ausgeschlossene) logischerweise unterrepräsentiert sind. Heute zeigt sich, dass Frauen auch dann nicht erinnert werden, wenn sie "objektiv", also selbst nach den problematischen Relevanzkriterien, die in der Männergeschichtsschreibung gelten, eine wichtige Rolle gespielt haben. (Schade, dass ich nicht mitbekommen werde, wie man sich in hundert oder zweihundert Jahren an Angela Merkel erinnern wird, das würde mich wirklich interessieren!)

Wie kann man dagegenwirken?

Was können wir tun? Beim Machen des Comics haben wir gemerkt, wie groß die Versuchung ist, eine Geschichte des Feminismus als Kampf gegen die Männer zu erzählen, und die Frauen als unterdrückte Opfergruppe darzustellen, deren interne Differenzen angesichts dieser Gruppenidentität verschwinden. Zum Beispiel etwa die politischen Ideen von Frauen vor allem als Reaktion auf männliche Frauenfeindlichkeit darzustellen – und dann am Ende doch wieder lauter Männer in Szene zu setzen.

Ich glaube, es ist uns aber jetzt ganz gut gelungen, die Geschichte des Feminismus nicht als weiblichen Gegenentwurf zum Patriarchat zu erzählen, sondern als die einer in sich heterogenen Bewegung, der die Freiheit der Frauen und das gute Zusammenleben der Menschen auf dieser Welt am Herzen liegt – und zwar Differenzen inklusive, gerade auch der Frauen untereinander.

Denn wie Audre Lorde es schrieb: "Difference is that raw and powerful connection from which our personal power is forged."

(Antje Schrupp, dieStandard.at, 27.11.2014)