Wien - Die Bevorzugung von Frauen bei der Vergabe von Gynäkologie-Krankenkassenverträgen hat am Mittwoch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigt. Ein Salzburger Frauenarzt ging dagegen vor Gericht. Auch schlechter qualifizierte Ärztinnen seien ihm gegenüber im Vorteil, wandte er ein. Das Gesundheitsministerium sah das als nicht unverhältnismäßig an. Eine Entscheidung des VfGH gab es noch nicht.

Konkret klagte der Arzt die Ärztekammer für Salzburg. Es sei gleichheitswidrig, ausschließlich wegen seiner Geschlechtszugehörigkeit bei der Reihung zur Vergabe von Einzelverträgen benachteiligt zu werden. Die Kammer verwies auf die Reihungskriterien-Verordnung des Gesundheitsministeriums.

Diese sieht vor, dass beim Sonderfach "Frauenheilkunde und Geburtshilfe" als Kriterium auch "die durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit" (neben fachlicher Eignung, Zusatzqualifikation oder Berufserfahrung) zur Anwendung kommt. Bis zu zehn Prozent der erreichbaren Punkte entfallen darauf. Das Landesgericht Salzburg beantragte daraufhin, die betreffende Bestimmung aus gleichheitsrechtlichen Gründen aufzuheben.

"Positive Diskriminierung" zulässig

Im Gesundheitsministerium sah man diese Bevorzugung als nicht unverhältnismäßig an. Sie liege im Interesse der Versicherten (verwiesen wird auf Studien, wonach Frauen- und speziell auch Migrantinnen oder weibliche Missbrauchsopfer - Ärztinnen bevorzugen; außerdem stammen in diesem Fach 62,5 Prozent der Wahlarztrechnungen von Ärztinnen) und sei sachlich begründbar und rechtfertigbar. Gemäß Verfassung sei zudem die "positive Diskriminierung" zulasten von Männern insoweit zulässig, als sie einer Beseitigung tatsächlicher Benachteiligungen von Frauen "förderlich und verhältnismäßig" sei.

Anlass für die entsprechende Regelung aus dem Jahr 2009 sei das starke Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern bei der Verteilung der Vertragsarztstellen gewesen. Damals gab es etwa in Kärnten keine einzige Kassengynäkologin. Inzwischen gibt es eine, und österreichweit stieg der Frauenanteil von 2009 bis 2014 von 17,2 auf 23,2 Prozent. Für das Ministerium verwies Sektionschef Gerhard Aigner in der mündlichen Verhandlung auf den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherungen. Eine Vertreterin des Sozialministerium unterstrich zudem die Vereinbarkeit der österreichischen Bestimmungen mit der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie.

Noch keine Entscheidung

Gernot Herzog, der Rechtsanwalt des nicht persönlich erschienenen Arztes, zog dies - und vor allem die "besondere Vertrauenswürdigkeit" der Ärztinnen - in Zweifel. Nach einer Umfrage in seinem Bekanntenkreis könne er nicht verifizieren, dass Frauen lieber zu Gynäkologinnen gingen. Wenn, dann müsse eine solche Bestimmung auch für Urologen gelten, denn auch dort müssten Frauen ihre "Intimteile" exponieren, meinte er. Die Bestimmung gleiche einem Handicap beim Golfspiel, es gebe kaum noch männliche Bewerber in der Frauenheilkunde, klagte er. Im Übrigen werde sich das Problem ohnehin von selbst lösen, gebe es doch heute schon mehr Frauen als Männer im Medizinstudium.

Eine Entscheidung des VfGH gab es am Mittwoch noch nicht. Sie wird schriftlich oder mündlich ergehen, so Präsident Gerhart Holzinger. (APA, derStandard.at, 4.12.2014)