Der "Zielturm Rotsee", eine verschachtelte Angelegenheit in der Schweiz von Andreas Fuhrimann und Gabriella Hächler.

Foto: Valentin Jeck; Steve Areen, Alasdair Jardine; Gestalten 2014

Der "Steve's Thailand Dome" von Steve Areen, der an Orangeneis oder eine Ausnüchterungszelle für Barbapapas erinnert.

Foto: Valentin Jeck; Steve Areen, Alasdair Jardine; Gestalten 2014

Sofia Borges, Sven Ehmann, Robert Klanten, "Hide and Seek - The Architecture of Cabins and Hide-Outs". € 39,90 / 256 Seiten. Verlag Gestalten

Foto: Valentin Jeck; Steve Areen, Alasdair Jardine; Gestalten 2014

Der Räuber Hotzenplotz wetzte seine Messer in einer Höhle, Robin Hood vertschüsste sich regelmäßig in den Wald, und Shrek zog sein geliebtes Sumpfhaus gar dem Königspalast vor. Was für Diogenes in seinem Fass schon vor über 2000 Jahren Alltag war, wird heute immer mehr zu einer Sehnsucht, wenn es auch ruhig etwas komfortabler sein darf als im Fass des Grüblers.

Es geht um das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, sich einzumummeln, fernab von Handy, Internet und Rushhour, sich einen Raum zu schaffen für die Zeit zwischen den Zeiten. Für alle, denen der Sinn nach einem solchen Schlupfwinkel steht, ist nun eine Art Bibel erschienen. Das Buch Hide and Seek: The Architecture of Cabins and Hide-Outs versammelt auf 256 Seiten ganz wundervolle Architekturen zum Abzischen.

Abgehobene Idylle zwischen Blättern: das Baumhaus "Between Alder and Oak" in Niedersachsen von den Architekten Baumraum.
Foto: Valentin Jeck; Steve Areen, Alasdair Jardine; Gestalten 2014

Die abgebildeten Rückzugsorte, von der einfachen, liebevoll zusammengezimmerten Hütte bis hin zum kantigen Betonwürfel mit ein paar Quadratmetern mehr, bestechen durch einen ganz eigenen Charme, der zweifellos in ihrer Schrumpfung begründet liegt. Manche Zeitgenossen sagen über die Größe im Allgemeinen, dass es auf diese nicht ankäme. Die hier gezeigten Häuschen wären definitiv ein Beweis.

Zu sehen sind auch moderne Bauten, denen es an Luxus und Detailverliebtheit nicht mangelt. Durch ihre Kleinheit aber strahlen sie allerdings nie Opulenz, oder Repräsentationsprotzigkeit aus. Sie riechen ein Stück weit nach Versteck, sie haben etwas Bubenhaftes, natürlich auch Mädchenhaftes, und ihre Bühne sind Strand und Wald ebenso wie Gipfel und Wiese.

Da wäre zum Beispiel in der Schweiz dieser zauberhaft verschachtelte Pfahlbau aus Kiefernholz, der an aufeinandergestapelte Schuhschachteln mit Fenstern erinnert und als Regatta-Häuschen für Rudervereine fungiert, oder der kugelrunde "Steve's Thailand Dome" samt Aussichtsplattform mit Palmwedeldach, der an eine Kugel Orangeneis oder eine poppige Ausnüchterungszelle für Barbapapas denken lässt.

Ein Setzkasten im Wald

Freilich dürfen in diesem Sammelsurium auch Baumhäuser nicht fehlen, gehört dieser Spezies doch ein ganz besonders abenteuerlicher Platz in der Riege von "Ich bin dann mal weg"-Zuflüchten an. Aus diesem Genre zu finden ist etwa die abgehobene Idylle mit Feldaussicht "Alder and Oak" in Deutschland oder der Rückzugskokon "Cocoon", der wirkt, als wäre er aus Holzstreifen geflochten worden. Die tunnelartige Hütte, die zu schweben scheint, ist in England daheim, wobei sie sich ziemlich gut in einem Wald versteckt hat. Apropos Wald, die auf dem Buchcover abgebildete Hütte des Architekten Bernd Riegger in Vorarlberg nennt sich "Waldsetzkasten". Wie die aussieht? Genau so, wie man sich einen Waldsetzkasten vorstellt.

Das großformatige Versteckebuch ist für die wenigen gedacht, die vor dem Sprung in ein solches Bau-Abenteuer sind, sozusagen als Ideengeber. Es ist aber auch ein schöner Blätterausflug für alle jene, die von einer solchen Zuflucht noch träumen. Wohl darum beginnt der prächtige Bildband auch mit einem Zitat aus dem Buch Wo die wilden Kerle wohnen: "Genau in dieser Nacht wuchs ein Wald in seinem Zimmer ... der wuchs ... und wuchs, bis die Decke voll Laub hing und die Wände so weit wie die ganze Welt waren." (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 12.12.2014)