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Auch die Lehrerinnen und Lehrer wissen oftmals nicht den Weg durch die Zentralmatura.

Foto: apa/HARALD SCHNEIDER

Nicht genügend. Ein Punkt mehr, und es wäre ein Gut geworden.

Nein, Sie haben sich nicht verlesen, ich habe lediglich das Resultat meiner letzten Mathematik-Schularbeit angeführt. Klingt komisch, nicht? Etwas unlogisch auch, aber was soll's, das ist eben das Ergebnis unserer sogenannten "neuen Matura", und die braucht nicht logisch aufgebaut zu sein. Hauptsache, kompetenzorientiert ist sie. Das ist das Wichtigste.

Ohne Grundkompetenzen geht nichts – so auch bei den Mathe Schularbeiten, die ab sofort in einen Teil 1, den Grundkompetenzteil, und einen Teil 2, die sogenannte Vertiefung, gegliedert sind. In Teil 1 wird demnach quasi die Basis gelegt, die weiterführend notwendig ist, um den vertiefenden Teil 2 zu meistern. Komisch nur, dass in meinem Fall Teil 1 knapp nicht ausreichend war, ich aber trotzdem wie aus heiterem Himmel die Vertiefung beinahe fehlerfrei durchrechnen konnte – dass ich also quasi ohne die Grundlagen zu kennen, diese anwenden konnte. Vergleichen könnte man das damit, dass beispielsweise ein Hermann Maier keine Ahnung davon hat, sich Skischuhe zuzuschnallen, aber trotzdem die Streif gewinnen kann. Da scheint das neue System doch ein paar Lücken aufzuweisen, aber wie gesagt, solange man kompetent genug ist, um Teil 1 positiv zu absolvieren, kann man schon getrost die Beine hochlagern. Denn schafft man den Grundkompetenzteil fehlerfrei, ist einem das Befriedigend sicher, auch wenn man in der Vertiefung überhaupt keine Punkte sammelt. Pech haben dann diejenigen, bei denen das ganze – so wie bei mir - umgekehrt abläuft. Denn ist Teil 1 nicht ausreichend, ist die ganze Arbeit negativ zu beurteilen… dann ist man laut Bifie nicht kompetent genug.

Kompetenzorientiert soll es sein! Was immer das bedeuten mag

Sie wollen wissen, was kompetenzorientiert eigentlich heißt? Das weiß keiner so genau, aber vielleicht finden Sie die Antwort ja auf der Bifie-Homepage. Da finden Sie übrigens auch einen mehr als zweihundert Seiten langen "Grundkompetenzkatalog" für Mathematik, den wir Maturanten praktisch im kleinen Finger haben sollten. Und wenn Sie über genügend Datenvolumen verfügen, können Sie sich auch gerne die 20 PDF-Dateien zu den formalen Kriterien der sogenannten VWA downloaden.

VWA, das ist die Abkürzung für vorwissenschaftliche Arbeit – noch so ein Hirngespinst unseres derzeitigen Bildungsministeriums. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, nachdem Sie sich durch hundert Seiten lange Erklärungen zum Aufbau der Zentralmatura gekämpft haben, das ganze System zu durchblicken. Ich betone: vielleicht. Falls Sie jedoch verwirrt zurückbleiben, tut es mir leid, aber Aufklärung kann ich in diesem Artikel auch nicht schaffen, denn verwirrt sind wir alle. Schüler, Lehrer, Eltern, Direktoren. Da helfen auch keine monatlichen Fortbildungsseminare, zu denen unsere Lehrer laufend geschickt werden, wenn die dort präsentierten Änderungen dann beim nächsten Seminar sowieso wieder geändert werden und die bereits geänderte Veränderung einen Monat später wieder geändert wird, bis schließlich keiner mehr weiß, was jetzt eigentlich verändert wurde. Hä? Komplizierter Satz, würde ich mal sagen, aber es ist de facto nun einmal so.

Was gestern galt, ist heute anders – wem nutzen dann die Seminare?

Was nützt es uns, schon am Ende der sechsten Klasse Einführungsseminare zur VWA zu besuchen beziehungsweise an Infoveranstaltungen bezüglich des neuen Reifeprüfungssystems teilzunehmen, wenn heute – zwei Jahre später – sowieso alles anders ist als damals besprochen? Mittlerweile hatte ich die Ehre, mir, auf über etwas mehr als ein Jahr verteilt, bestimmt 20 verschiedene Präsentationen anzuhören. Da sollte man doch meinen, dass alle Fragen geklärt sein müssten. Müssten … genau, es bleibt aber beim Konjunktiv. Denn geklärt ist nur der grobe Teil, Details sind noch immer nicht zu hundert Prozent fixiert worden, zumal sich ja "immer noch alles ändern kann". Ist doch ziemlich beruhigend im Hinblick auf meine heurige Matura. Aber wir haben ja noch Zeit, haben erst Mitte Dezember. Und bis zur VWA-Abgabe Mitte Februar sind es immerhin noch ganze zwei Monate, und schriftlich maturiert wird sowieso erst im Mai.

Und solange unsere Schulbücher ein netter Stempel mit der Aufschrift "Sicher und kompetenzorientiert zur neuen Matura" ziert, ist sowieso alles im "positiven Bereich". Außerdem: Maturareisen à la "X-Jam", "Summersplash" und Co sind ja schließlich schon gebucht! (Tina Zeinlinger, derStandard.at, 18.12.2014)