In Manchester und Liverpool sammelte Paul Albert Leitner Objets trouvés, die er fotografisch festhielt: "Shoe Galleries Selfridges, London, 2013".

Foto: Paul Albert Leitner

Innsbruck - 2013 arbeitete der in Tirol geborene und schon lange in Wien lebende Fotokünstler Paul Albert Leitner im Londoner East End, und er besuchte Manchester und Liverpool. Der Vielreisende flanierte - das Gehen sei die richtige Geschwindigkeit -, und er sammelte Objets trouvés, die er fotografisch festhielt oder zu Collagen arrangierte: asservatenhaft etwa Fashion-objects, den weggeworfenen Minirock eines Mädchens, poetisch ein Stillleben des Alltags in London-Christmas-Still-Life oder grafisch strukturiert die in London allgegenwärtigen kaputten Schirme in The London Umbrella Collection. Leitner begibt sich in einer Pub-Serie auf die Spuren der Beatles in Liverpool - Whitestar und Penny Lane -, und er findet in Verkehrszeichen Reste einer britischen Version der Pop-Art.

Überhaupt haben es dem Flaneur Schilder im öffentlichen Raum und ihre oft skurrilen Kontexte angetan - Bow Road, East End. Und er besuchte Museen. Dass Leitner die Fotogeschichte gut kennt und sie gerne ironisch zitiert, zeigt sich etwa in London sky. Eine Detailaufnahme der Serie entstand beim Besuch der Tate Gallery und zeigt Constables berühmte Wolkenstudien. Leitner spielt in seinen Wolkenaufnahmen darauf und auf Stieglitz' Wolkenbilder aus den 1930ern an.

Sloterdijk bezeichnete das Museum einmal als eine Schule des Befremdens. Vertraute Dinge entwickeln in neuen Zusammenhängen eine ungewohnte Dimension. Das trifft auch auf Leitners Fotografien und Collagen zu, in denen Fundstücke seiner Reisen, flüchtig Festgehaltenes und präzise Komponiertes zu einer eigenen Welt gerinnen.

Die Fotografien zeigen nur im ersten Moment die Wirklichkeit, sind nur an ihrer Oberfläche dokumentarisch. Immer wohnt ihnen eine Poesie inne, sie geben den Dingen eine zusätzliche Bedeutung, legen tieferliegendes frei. Man meint in ihnen etwas vom Blick des Künstlers und seiner Interpretation von Welt zu entdecken - Ironisches, Lakonisches, Banales, Groteskes, Derbes, Fröhliches und Tragisches. Am Ende ist es aber vor allem auch eine eigene Erinnerung und Geschichte, die man darin sieht. (Robert Gander, DER STANDARD, 13.12.2014)