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Conchita Wurst über ihre Rolle beim Song-Contest-Finale in Wien: "Ich habe mein ganzes Menü noch nicht bestellt."

Foto: APA/Neubauer

Wien - 2014 war ihr Jahr: Mit dem Triumph beim Eurovision Song Contest (ESC) in Kopenhagen ging der Stern von Conchita Wurst endgültig auf. Schon alleine die Teilnahme sei "eine große Sache" gewesen, wie die Sängerin rückblickend erzählt. Dass es dann zum Sieg reichte, damit habe sie nicht gerechnet. Mit der APA sprach Wurst zum Jahresabschluss über künftige Pläne, Respekt und das heiß ersehnte Album.

Gab es seit dem Song Contest Momente, in denen Ihnen der Rummel zu viel wurde?

Wurst: Mein Team und ich sind ganz gut darin, zu entschleunigen. Das haben wir von Anfang an gemacht, was nicht immer einfach war. Termine sind ja an gewissen Daten fixiert. Aber ich habe darauf geachtet, meine Ruhephasen zu haben. Und die hatte ich immer wieder genug, um sagen zu können: Von mir aus kann es den Rest meines Lebens so weitergehen. Wenn nicht sogar ein bisschen mehr. (lacht)

Haben Sie Entscheidungen getroffen, die Sie im Nachhinein bereut haben?

Wurst: Ich habe den Luxus, sagen zu können, dass ich noch nie etwas in meinem ganzen Leben bereut habe. Ich fühle mich wohl und gut aufgehoben in der Situation, in der ich bin. So wie wir arbeiten, fühlt es sich auch bauchgefühltechnisch sehr gut und logisch an. Ich bin entspannt, möchte ich meinen.

Muss man sich als Song-Contest-Siegerin immer an diesem Triumph messen lassen?

Wurst: Das war zwar der bisherige Höhepunkt meiner Musikkarriere, ich will aber nicht, dass es der einzige Höhepunkt bleibt. Das ist definitiv meine Motivation. Ich bin Sängerin, und was kann man als Sängerin bestenfalls bekommen? Einen Grammy! Das will ich, darauf arbeite ich hin. Ob ich ihn bekomme oder nicht, weiß ich nicht. Aber ich funktioniere so, ich brauche dieses Ziel. Auf dem Weg dahin erfahre ich so viele wunderschöne Dinge, die vielleicht am Ende des Tages viel mehr wert sind als diese Blechfigur.

Auf neues Material mussten Ihre Fans lange warten, vor kurzem erschien mit "Heroes" eine neue Single. Wie sieht es mit einem Album aus?

Wurst: Ich werde Jänner und Februar im Studio sein, um dieses Album aufnehmen zu können. Es wird jetzt einfach Zeit. Ich konnte das vorher nicht: Es gab so viele Dinge, die ich erleben wollte. Und ich muss auch ehrlich gestehen, es gibt in der Zeit zwischen Jänner und Februar eine Einladung, auf die ich nicht verzichten möchte, weil ich das erste Mal nach Amerika fliegen darf. Ich bin eingeladen zu den Golden Globes, und das freut mich so wahnsinnig, da habe ich nicht Nein sagen können. Um die paar Tage wird die Albumproduktion verkürzt, ich werde einfach schneller singen.

Können Sie schon Näheres zum Album verraten?

Wurst: Ich habe noch keinen Veröffentlichungstermin, es liegen aber schon einige Songs auf dem Tisch. Die Problematik bei meiner Person ist, dass ich die Songs nicht selber schreibe. Somit müssen sie mir in einer Demoversion gefallen. Das ist aber nicht genug: Wenn ich diese Lieder dann singe, sollten sie gleich gut, im besten Fall besser klingen als die Demoversionen. Man kann sich vorstellen, wie viele Songs da wegfallen, und das ist der Prozess, in dem ich mich parallel befinde. Nur weil ich nicht aufgenommen habe, heißt das nicht, dass ich nicht nach Songs suche.

Haben Sie ein Konzept oder einen roten Faden vor Augen, der sich durch das Album ziehen soll?

Wurst: Das hängt definitiv von den Songs ab. Fakt ist: Ich will über nichts Sinnentleertes singen. Um ein Lied zu spüren, brauche ich für mich Emotionen, die echt sind - in welcher Richtung auch immer. Ich werde definitiv auch Songs über das Liebes-Aus einer Beziehung singen, weil ich das muss! Das ist nicht schön, und ich muss das auch verarbeiten. (lacht) Das sind alles Dinge, die irgendwie inhaltlich vorkommen sollen. Was das Musikalische betrifft: "Heroes" ist schon ein guter Start, um vielleicht die Richtung zu beschreiben. Nichtsdestotrotz liebe ich auch das Orchestrale und all diese dramatischen Hymnen. Es wird sich zeigen, wie gut ich das alles unter einen Hut bekomme.

Gibt es bestimmte Künstler oder Songwriter, mit denen Sie gerne zusammenarbeiten würden?

Wurst: Ich habe wahnsinnig tolle Songwriter, und ich habe auch Songs bekommen von sehr eindrucksvollen Menschen, die mir aber größtenteils nicht zugesagt haben. Ich laufe da nicht wirklich Namen nach. Es interessiert mich eigentlich gar nicht, von wem das Lied geschrieben wurde. Es gibt zwei Möglichkeiten: Es gefällt mir, oder es gefällt mir nicht. Und dann kann es von Elton John kommen, und ich kann es nicht mögen. Ein Welthit schreibt sich leider nicht so einfach. Sonst hätte ich zwölf davon. (lacht)

Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit Ihrem Sieg beim Song Contest etwas in puncto Toleranz bei den Menschen verändert haben?

Wurst: In Zeiten von Facebook sind die Menschen sehr schnell mit ihren Meinungen, und man ist sehr schnell an Personen dran. Aufgrund der Tatsache, dass diese Kommunikation so schnell funktioniert, weiß ich auch, dass sich etwas geändert hat. Weil mir Menschen ihre Geschichten erzählen. Mein Sieg beim Song Contest war sicher ein Statement. Aber ein Statement reicht halt nicht, um eine Gesellschaft zu verändern. Deswegen ist es ein ganz langer Weg. Ich bin nicht pessimistisch veranlagt, aber ich fürchte fast, dass das eine Lebensaufgabe wird - die ich mir selbst ausgesucht habe, das verlangt ja auch niemand von mir.

Wenn Sie Lebensaufgabe sagen: Würden Sie sich als Toleranzbotschafterin sehen? Und wo endet für Sie persönlich Toleranz im Alltag?

Wurst: Zum einen bin ich keine Botschafterin. Ich mache das aus sehr egoistischen Gründen, weil ich nicht anders kann. Ich bin ein Mensch, der für Gerechtigkeit kämpft, weil ich mich dann besser fühle. Außerdem ist Toleranz für mich mittlerweile zu wenig. Ich finde auch, dass dieses Wort überstrapaziert wird und es immer noch ein großes Schlupfloch lässt. Ich will nicht toleriert werden, ich will akzeptiert werden. Ich will nicht, dass man mich duldet. Ich will respektiert werden, wie jeder andere Mensch, und das hat auch jeder verdient. Somit geht es mir mehr um Akzeptanz und Respekt, und das hat für mich kein Ende. Ich glaube, dass wir alle unschuldig geboren sind. Und dass uns die Gesellschaft, unsere Eltern, unsere Freunde, unser Umfeld zu dem machen, was wir sind.

Man sollte sich manchmal die Zeit nehmen und sich fragen: Warum machen Menschen das, was sie tun? Wie würde ich mich fühlen, wenn ich ein Land regiere, und 16 Leute reden auf mich ein und sagen, ich muss das und das und das machen? Nicht dass ich gewisse Rechtsverabschiedungen damit entschuldige, das gar nicht. Aber es ist vieles einfach nicht so, wie es nach außen scheint. Ich versuche wirklich allen Menschen diesen Respekt entgegenzubringen. Ich denke nicht, dass man alles zerlegen muss. Aber man sollte sich wenigstens die Zeit nehmen, nicht unnötig aggressiv zu werden.

Kommen wir wieder zum Song Contest: Können Sie schon verraten, in welcher Form Sie bei der Show in der Wiener Stadthalle involviert sein werden?

Wurst: Ich habe mein ganzes Menü noch nicht bestellt. Wir haben schon Ideen, die kommen von allen Seiten. Es gibt Dinge, die ich gerne machen würde, wie den Green Room hosten. Ich will natürlich singen, will die Trophäe übergeben. Im Großen und Ganzen sind wir uns da sehr einig, es gibt nur ein paar Einzelheiten und Details zu klären. Ich denke, es wird sich im größten Teil darauf beschränken, dass ich singe, eine Trophäe übergebe und vielleicht noch mit den Kandidaten plaudern darf. Das ist jetzt das Wunschpaket von mir.

Vom Menü gestrichen wurde also die Moderation?

Wurst: Ja, die Moderation habe ich gestrichen. Das war ein bisschen voreilig von mir. Die ganze Show zu hosten, dann auch noch zu singen, die Trophäe zu übergeben - nein. Aber es ist ja nicht der letzte Song Contest, habe ich mir sagen lassen. (APA, Christoph Griessner, 15.12.2014)