Der Zeit ihre Kunst und der Kunst ihre Freiheit. So weit, so gut. Wenn die Kunst die Freiheit hat, wird’s Zeit für mühsame Befindlichkeitsspiralen. Wir leben zu Zeiten der Instantbeleidigung und des Langzeitinstantbeleidigtseins. Nie kann man sicher sein, ob man nicht schon wieder irgendwen gekränkt hat.

Jene, die nach Reinrassigkeiten grölen mit der dramatischen Verwaschung ihrer offensichtlich so unglaublich wertvollen Gene. Oder die anderen, weil man sich ihre Lebensweise aus Ländern, die sie verlassen wollten, nicht kategorisch aufzwingen lassen möchte in jenen Ländern, in denen sie neue Heimat fanden.

Nein, nicht jeder Muslim ist ein Gefahr abstrahlendes suspektes Subjekt. Nein, ich muss mich nicht verschleiern, um die sehr religiösen Herren zufriedenzustellen. Zwischen diesen beiden Polen oszillierend: Alltagsleben in einer gewünschten Demokratie. Überhaupt, je instabiler die Verhältnisse, desto gepisster.

Ungarn ist zum Beispiel immer noch gepisst, weil die Staatskünstler sich über ihre Stephanskrone lustig gemacht haben, deren Verhöhnung mit Strafe geahndet wird. Antisemitismus wird nicht geahndet, sondern großzügig gelebt. Und das mitten in der EU. Damit das zu beackernde weite Feld des Beleidigtseins nicht nur einer Gruppe überlassen wird, haben wir nun neue Teilnehmer des alten Ringelspiels: Der Papst gab letztens den gutgemeinten Rat, sich doch bitte nicht wie die Karnickel zu vermehren, sondern mit ein wenig mehr Bedacht auf diverse Randfaktoren.

Daraufhin stürmten empörte Kaninchenzüchter die neue Bühne der Kränkung und machten ihrem emotionalen Zustand kräftig Luft. Diverse Hasenpflegevereine üben sich derzeit noch in nobler Zurückhaltung. (Julya Rabinowich, DER STANDARD, 24./25.1.2015)